Joseph Anton
eingeteilt zu sein und dem ›Kunden‹ rund um die Uhr zur Seite zu stehen, waren die großartigen Überstunden. Bei allen ›offenen‹ Einsätzen gingen die Teams abends nach Hause, und die Wohnungen der ›Klienten‹ wurden von uniformierten Polizisten bewacht. Und nun fiel die Bezahlung ihrer nächtlichen Überstunden mit einem Mal weg. Kein Wunder, dass sie ein bisschen stinkig waren, um mal ganz ehrlich zu sein, Joe , und dass die großen Tiere von Scotland Yard seinem Vorschlag so schnell zugestimmt hatten. Er hatte ihnen einen Haufen Geld gespart.
Gleich am ersten Wochenende musste er feststellen, dass der ›besondere Vorzug eines eigenen Teams‹ ein Märchen war. Ian McEwan hatte ihn zu sich nach Oxford eingeladen, doch Hammingtons Vize Dick Stark, dessen Selbstgefälligkeit sich zu einem ständigen Ärgernis entwickelte, teilte ihm unversehens mit, dass keine Fahrer zur Verfügung ständen und er das ganze Wochenende zu Hause hocken musste. Es gebe einen ›Engpass‹ bei den ›Einsatzleuten‹, doch wenn Elizabeth ins Krankenhaus müsse, werde man ›natürlich‹ einen Weg finden. Von nun an würde es jedes Wochenende ›schwierig werden‹. Er würde ihnen bis Dienstag sagen müssen, ob er am Samstag oder Sonntag ›Ortswechsel‹ vornehmen wolle. Die Fahrt nach Oxford sehe ›nach einer Menge Einsatz für ziemlich wenig‹ aus.
Er versuchte dagegenzuhalten. Den ganzen Tag über seien nun drei Beamte in seinem Haus, wenn er also zu einer Privatveranstaltung wie einem Abendessen bei Freunden fahren wollte, brauchte es nur einen Fahrer – war der wirklich so schwer aufzutreiben? Aber wie immer war die Bereitschaft, ihm zu helfen, sehr gering. Bald würde es Parlamentswahlen geben, dachte er, und wenn die Labour-Partei siegte, säßen freundlichere Leute an den Hebeln. Er musste sich zusichern lassen, dass man ihm helfen würde, ein lebenswertes Leben zu führen. Eine Gefangenschaft mit Ausflügen nach polizeilicher Willkür würde er nicht hinnehmen.
Unterdessen übte sich Elizabeth wie besessen in Heimlichtuerei. Keiner außerhalb ihres engsten Kreises durfte von ihrer Schwangerschaft erfahren, ehe das Baby geboren war. Er wusste nicht mehr, wie er solcherlei Geheimnisse für sich behalten sollte. Er wollte mit seiner Familie ein ehrliches Leben führen. Er redete mit ihr sogar über Heirat, doch sobald die Sprache auf einen Ehevertrag kam, artete die Unterhaltung in Streit aus. Er versuchte darüber zu reden, wie viel leichter das Leben in Amerika wäre, und der Streit wurde heftiger. Sie wurden verrückt, dachte er. Eingesperrte Irre. Zwei Menschen, die einander liebten, wurden von der Last, die ihnen die Polizei, die Regierung, der Iran aufzwang, zerquetscht.
Der Daily Insult brachte auf seiner Frauenseite eine Story über einen deutschen Psychologen, der behauptete, hässliche Männer kämen bei hübschen Frauen gut an, weil sie aufmerksamer seien. »In Salman Rushdies Versteck sind das bestimmt gute Neuigkeiten«, mutmaßte das Blatt.
Er redete mit Frances D’Souza darüber, eine Gruppe wohlmeinender Abgeordneter für seinen Fall einzuspannen und vielleicht auch ein paar gleichgesinnter Lords wie Richard Rogers dazuzugewinnen. (Er hatte keinen eigenen Wahlkreisabgeordneten, weil sein Wohn ort nicht preisgegeben werden durfte.) Die Idee gefiel ihr. Eine Wo che später lud ihn der kulturpolitische Sprecher der Labour-Partei zu einem Drink mit Derek Fatchett, dem Vize des außenpolitischen Sprechers der Labour-Partei und designierten Labour-Außenminister Robin Cook, ins Unterhaus ein. Fatchett hörte ihm mit wachsender Empörung zu und sagte schließlich: »Ich verspreche Ihnen, wenn wir an die Macht kom men, hat die Klärung dieser Sache oberste Priorität.« Mark Fisher versprach, an der Sache auf ganzer Linie dranzubleiben. Wieso , fragte er sich, als er ging, und ohrfeigte sich dafür, ist mir diese Adoptier-einen- MP -Idee nicht schon vorher gekommen?
Er besuchte die jährliche ›A‹-Kommando-Party, obwohl er nicht gut auf die leitenden Beamten zu sprechen war, und blieb nur so lange, wie es die Höflichkeit gebot. Danach war es ihm erlaubt, mit Caroline Michel und Susan Sontag in einem Restaurant zu Abend zu essen. Er erzählte Susan von dem Baby, und sie fragte, ob sie heiraten würden. Na ja, stammelte er, wir finden es gut, wie es ist, heutzutage verzichten viele auf den Trauschein. »Heirate sie, du Mistkerl!«, rief Susan. »Sie ist das Beste, was dir je passiert ist!« Und
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