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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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die Land, ein Haus und Teppiche umfasst. »Das Dorf Kiyapay bietet 4000 Quadratmeter Ackerfläche, 1500 Quadratmeter Obstgärten und zehn Teppiche als Belohnung«, sagte ein Dorfsprecher. Die 2000 Dorfbewohner haben außerdem ein Spendenkonto eingerichtet.
    Es war nicht immer leicht, ruhig zu bleiben, den Mund zu halten und die Nerven zu bewahren.
    *
    Er reiste nach New York, um für das französische Fernsehen eine Sendung über Der Boden unter ihren Füßen zu drehen. Plötzlich öffnete sich die Welt. Er ging allein durch die Straßen der Stadt und fühlte sich sicher. In London hielt ihn die Vorsicht des britischen Geheimdienstes gefangen, doch hier in New York lag sein Leben in seinen Händen, er konnte entscheiden, was vernünftig und was gefährlich war. In Amerika konnte er seine Freiheit wiedererlangen, noch ehe die Briten beschlossen, dass es an der Zeit war, sie ihm zurückzugeben. Freiheit wird genommen, niemals gegeben. Er wusste das und musste dementsprechend handeln.
    Mit einer Mars Attacks- Maske auf dem Kopf nahm Bill Buford ihn zu einem Halloweenabendessen nach Uptown mit. Er trug eine Kufiya, hielt eine Babyrassel in der einen und ein knuspriges Brötchen in der anderen Hand und ging als ›Sheikh, Rattle and Roll‹.
    *
    Zurück in London, wurde er zu Ehren von Jeanne Moreaus siebzigstem Geburtstag zu einem Mittagessen in die Residenz des französischen Botschafters eingeladen. Er saß zwischen der Moreau, die selbst mit siebzig noch glamourös und sexy war, und der großartigen Ballerina Sylvie Guillem, die sich das Harun -Stück ansehen wollte. Jeanne Moreau war eine fantastische raconteuse . Mit am Tisch saß ein Botschafts-Apparatschik, dessen einzige Aufgabe darin bestand, ihr harmlose Fragen zuzuwerfen: »Nun, Madame, müssen Sie uns erzählen, wie Sie unseren großen französischen Regisseur François Truffaut kennengelernt ’aben«, und schon plauderte sie los. »Ah, François. Es war in Cannes, wissen Sie, ich war mit Louis dort« – »Sie meinen unseren ebenfalls großen französischen Regisseur Louis Malle, Madame …« – »Genau, Louis, und wir waren im Palais du Cinéma, und François kommt und begrüßt Louis, und dann gehen sie eine Weile und ich hinterher mit eine andere Mann, und dann gehe ich neben François, und es war sehr seltsam, weil er mir nicht sieht ins Gesicht, immer sieht er auf den Boden und manchmal ganz schnell nach oben und dann wieder nach unten, bis er mich schließlich doch ansieht und sagt: ›Darf ich Ihre Telefonnummer haben?‹« – »Und Sie ’aben Sie ihm gegeben, Madame«, sagte der Apparatschik. Er beschloss, selbst das Fragenstellen zu übernehmen, und erkundigte sich nach der Zusammenarbeit mit Buñuel bei Tagebuch einer Kammerzofe . »Ah, Don Luis«, sagte sie mit ihre tiefen, rauchigen Zigarettenstimme: »Ich liebe ihn. Eines Tages sage ich zu ihm: ›Ach, Don Luis, wenn ich doch nur Ihre Tochter wäre!‹ Und er sagt: ›Nein, meine Liebe, dass sollten Sie nicht wünschen, denn wenn Sie meine Tochter wären, würde ich Sie wegsperren und Sie wären nicht Schauspielerin!‹«
    »Das Lied, das Sie in Jules et Jim singen, habe ich immer sehr gemocht«, sagte er zu ihr, während sie ihren Château Beychevelle tranken. »›Le Tourbillon.‹ Ist das ein altes Lied, oder wurde es für den Film geschrieben?« – »Nein, es wurde für mich geschrieben. Es war ein alter Liebhaber, wissen Sie, und als es zwischen uns aus war, hat er dieses Lied geschrieben. Und als François sagte, ich soll etwas singen, habe ich dieses Lied vorgeschlagen, und er war einverstanden.« – »Und jetzt, wo daraus so eine berühmte Filmszene geworden ist, ist es für Sie noch das Lied, das ein ehemaliger Liebhaber für Sie schrieb, oder ist es ›das Lied aus Jules et Jim ‹?« – »Oh«, sagte sie achselzuckend, »jetzt ist es das Lied aus dem Film.«
    Ehe er die Residenz verließ, nahm ihn der Botschafter beiseite und teilte ihm mit, der Rat des Ordre des Arts et des Lettres habe ihm den höchsten Orden des Commandeur verliehen; eine riesige Ehre. Die Entscheidung sei bereits vor ein paar Jahren gefallen, doch die bisherigen französischen Regierungen hatten den Deckel draufgehalten. Demnächst werde es hier in der Residenz ein großes Fest für ihn geben, und er werde seine Medaille und das Ordensband bekommen. Das sei eine großartige Neuigkeit, sagte er, doch binnen weniger Tage wurde zurückgerudert. Die Frau, die für die Versendung der Einladungen zuständig war,

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