Joseph Anton
wartete auf ›grünes Licht aus Paris‹, und dann waren seltsamerweise weder der Botschafter noch der Kulturattaché Olivier Poivre d’Arvor erreichbar. Nach Tagen des Hinhaltens rief er Jack Lang an, der ihm sagte, in zehn Tagen erwarte man in Frankreich den iranischen Präsidenten, deshalb sei der Quai d’Orsay so zöger lich. Lang machte ein paar Anrufe, und schon lief die Sache. Olivier rief zurück. Ob es wohl möglich sei, sich auf ein Datum zu einigen, an dem M. Lang persönlich kommen und ihm die Ehre erweisen könne? Ja, sagte er. Selbstverständlich.
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Zafar gab eine Party und wollte ihn dabeihaben. Das Schutzteam schleuste ihn in einen Nachtclub und versuchte bei dem, was für gewöhnlich in solchen Clubs passiert, beide Augen zuzudrücken. Er saß an einem Tisch mit Damon Albarn und Alex James von Blur, die von seiner Zusammenarbeit mit U2 gehört hatten und auch einen Song mit ihm aufnehmen wollten. Plötzlich waren seine Dienste als Lyriker gefragt. Alex hatte sich den größten Teil einer Absinthflasche eingeflößt, was vielleicht nicht ganz schlau gewesen war. »Ich hab eine supergeile Idee«, sagte er. »Ich schreibe den Text und Sie die Musik.« Aber, Alex, erwiderte er mild, ich kann weder komponieren noch ein Instrument spielen. »Das macht nichts. Ich bringe Ihnen Gitarrespie len bei. Das geht in einer halben Stunde. Ist total easy. Und dann schreiben Sie die Musik und ich den Text. Das wird obergeil.« Die Zusammenarbeit mit Blur kam nie zustande.
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Bei Scotland Yard traf er Bob Blake, der inzwischen der Leiter des ›A‹-Kommandosgeworden war, um über die Zukunft zu reden. Im neuen Jahr würde ein neuer Roman herauskommen, sagte er, und er müsse die Freiheit haben, ihn angemessen zu bewerben, mit anständig angekündigten Auftritten und Signierstunden. Inzwischen habe es genügend Veranstaltungen gegeben, um zu wissen, dass es keine Probleme gebe. Außerdem wollte er den Schutz noch weiter herunterschrauben. Er sehe ein, dass Fluglinien sich nach wie vor besser fühlten, wenn das Sicherheitsteam ihn in die Maschine bringe, und dass die Polizei ebenfalls gern gesehen wurde, wenn er öffentlich in Erscheinung trat, doch abgesehen davon konnten Frank und er das meiste allein bewältigen. Interessanterweise schien Blake für seine Vorschläge offen zu sein, was bedeutete, dass die Gefahrenlage sich geändert hatte, auch wenn man ihn davon noch nicht in Kenntnis gesetzt hatte. »Na schön«, sagte Blake, »wir wollen sehen, was sich machen lässt.« Indien bereitete ihm allerdings Bauchschmerzen. Mr Morning und Mr Afternoon waren der Ansicht, sollte er im Januar oder Anfang Februar nach Indien reisen wollen, bestünde das Risiko eines iranischen Anschlages. Dürfe er wissen, worauf sich diese Befürchtungen stütze? »Nein.« – »Na gut, egal, ich hatte eh nicht vor, in der Zeit nach Indien zu reisen.« Bei diesen Worten entspannte sich der Polizist sichtlich.
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Als er in das Büro des Außenministers im Unterhaus kam, saßen dort bereits der Generaldirektor des MI 5, Stephen Lander, und Robin Cook, der schlechte Neuigkeiten für ihn hatte. Einem Geheimdienstbericht zufolge habe es eine Zusammenkunft des iranischen Obersten Nationalen Sicherheitsrats gegeben – schon die Erwähnung dieses Namens brachte Cook einen missbilligenden Blick von Lander ein, was ihn allerdings nicht störte –, bei dem es Khatami und Kharrazi nicht gelungen sei, die Hardliner zu beruhigen. Khamenei sei nicht ›in der Lage‹, die Revolutionsgarde oder die Hisbollah zurückzurufen. Somit bleibe die Gefahr für sein Leben bestehen. Doch, sagte Cook, er und das Auswärtige Amt seien entschlossen, die Probleme zu lösen, und abgesehen von der Unsicherheit bezüglich Indiens gebe es keinen konkreten Hinweis auf einen Anschlag. Ein Anschlag in einem westlichen Land sei nicht sehr wahrscheinlich, sagte Lander. Nicht sehr wahrscheinlich war nur ein schwacher Trost, doch mehr würde er nicht bekommen. »Ich habe Kharrazi wissen lassen, dass wir über das Treffen des Obersten Nationalen Sicherheitsrats im Bilde sind, und Kharrazi war ziemlich geschockt. Er versuchte mir zu versichern, die Vereinbarung gelte noch. Er weiß, dass sein Ruf und der Khatamis auf dem Spiel steht.«
Nerven behalten.
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Nichts ist je perfekt, doch dieser Grad an Imperfektion war schwer zu ertragen. Dennoch blieb er bei seinem Entschluss. Er musste sein Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Er konnte nicht mehr warten, bis der
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