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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Bilderbuchgegend sanfter Hügel und Häuser aus goldgelbem Stein. Es gab da das bekannte Landhaus Lygon Arms im Cotswolds-Dörfchen Broadway. Er hatte schon oft übers Wochenende hingewollt, es aber nie geschafft. Käme das Lygon Arms in Frage? Stan und Benny sahen sich an, und irgendwas lief zwischen ihnen ab. »Wüsste nicht, warum nicht«, sagte Stan. »Wir gehen dem nach.«
    Den größten Teil des Tages verbrachte er mit Marianne in der Souterrainwohnung am Lonsdale Square 38. Benny blieb bei ihnen, während Stan den Dingen nachging. Bevor er in den Untergrund abtauche, wolle er seinen Sohn noch einmal sehen, sagte er, auch seine Schwester. Und obwohl man ihn warnte, dass ihm an diesen Adressen vielleicht die ›bösen Jungs‹ auflauerten, war man einverstanden, es zu ›arrangieren‹. Sobald es dunkel wurde, fuhr man ihn in einem gepanzerten Jaguar in die Burma Road. Die Panzerung war so dick, dass es kaum Kopffreiheit gab. Hochgewachsene Politiker wie Douglas Hurd fanden diese Autos entsetzlich unbequem. Die Türen waren so schwer, dass sie einen ernsthaft verletzen konnten, wenn sie unbeabsichtigt ins Schloss fielen. Parkte der Jaguar einmal hangabwärts, vermochte man kaum die Tür zuzuziehen. Auf hundert Kilometer verbrauchte er gut fünfundvierzig Liter, und er wog so viel wie ein kleiner Panzer. Diese Informationen gab ihm Dennis ›das Pferd‹ Chevalier, sein erster Special-Branch-Fahrer, ein großer fröhlicher, hängebackiger, dicklippiger Mann, »einer von den älteren Jungs hier«, sagte er. »Kennen Sie den Special-Branch-Fachausdruck für Fahrer?«, fragte ihn Dennis das Pferd. Er kannte ihn nicht. »Er lautet BBF «, erklärte Dennis. »Damit sind wir gemeint.« Und wofür stand BBF ? Dennis lachte sein mächtiges kehliges, leicht pfeifendes Lachen. »Bloß ’n blöder Fahrer«, sagte er. Er würde sich an den Polizistenhumor gewöhnen. Einer der anderen Fahrer war im Special Branch allgemein als König von Spanien bekannt, da er den Jaguar mal nicht abgeschlossen hatte, als er Zigaretten holen ging. Bei der Rückkehr musste er feststellen, dass man ihm den Wagen gestohlen hatte. Daher der Spitzname, denn der König von Spanien hieß – man musste seinen Namen nur langsam aussprechen – Juan Car-los.
    Die bösen Jungs lagen in der Burma Road nicht auf der Lauer. Er sagte Zafar und Clarissa, was ihm sein Team gesagt hatte. »In ein paar Tagen ist alles vorbei.« Zafar wirkte immens erleichtert. Auf Clarissas Gesicht sah er all die Zweifel, die er zu unterdrücken versuchte. Zafar fragte, wann sie sich wiedersehen würden, doch konnte er ihm darauf keine Antwort geben. Clarissa meinte, sie würden übers Wochenende vielleicht bei Freunden sein, im Haus der Hoffmans in Oxfordshire. »Okay«, sagte er, »ich komme, wenn ich kann.« Dann drückte er seinen Sohn noch einmal fest an sich und ging.
    (Weder Zafar noch Clarissa erhielten zu irgendeinem Augenblick Polizeischutz. Man gehe nicht davon aus, so erklärte ihm die Polizei, dass sie in Gefahr schwebten – was ihn allerdings nicht beruhigte, weshalb die Angst um die beiden jeden Tag an ihm nagte. Clarissa und er entschieden schließlich, dass es für Zafar wohl das Beste wäre, wenn er ein möglichst normales Leben führte. Und Clarissa übernahm es, für dieses normale Leben zu sorgen, was er mehr als tapfer fand.)
    Ihm fiel auf, dass er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Unterwegs nach Wembley und zu Sameen hielten sie bei einem McDonald’s-Drive-in, und er stellte fest, dass sich die dicken Fenster des Jaguars nicht öffnen ließen. Es gab gepanzerte Autos von Mercedes und BMW , Spezialanfertigungen mit Öffnungsvorrichtung, doch waren die noch teurer und nicht britisch, weshalb sie nicht zur Polizeiflotte gehörten. Stan, der Beifahrer, musste aussteigen, um die Bestellung aufzugeben, und zum nächsten Schalter laufen, um das Gewünschte abzuholen. Als sie gegessen hatten, wollte der Jaguar nicht wieder anspringen. Dennis das Pferd bearbeitete die Karre mit wilden Flüchen, während sie in den Reservewagen umstiegen, einen Range Rover, auch Biest genannt, den ein ebenfalls sanfter, lächeln der Riese namens Mickey Crocker lenkte, noch einer von den ›äl teren Jungs‹. Das Biest war auch schon ziemlich alt, enorm schwer und biestig zu lenken. Außerdem blieb es gern im Dreck stecken und schaffte es manchmal auch nicht die vereisten Hügelstraßen hinauf. Es war Mitte Februar, die kälteste, eisigste Zeit des Jahres. »Tut mir

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