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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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leid, Mann«, sagte Mick Crocker. »Ist nicht gerade der beste Wagen im Stall.« Er saß hinten im Biest und hoffte, dass die Männer, die ihn beschützten, besser waren als ihre Autos.
    Sameen, eine approbierte Anwältin (allerdings praktizierte sie nicht mehr – sie arbeitete jetzt in der Erwachsenenbildung), hatte schon immer einen scharfen politischen Verstand gehabt und wusste allerhand zu dem zu sagen, was um ihn herum vorging. Seit Khomeini gezwungen gewesen war, ›Gift zu schlucken‹ – so seine eigenen Worte, als er sich mit einem erfolglosen Ende des Irakkrieges abfinden musste, der eine ganze Generation junger Iraner tot oder verstümmelt zurückließ –, hatte die iranische Revolution auf wackligen Füßen gestanden. In der Fatwa sah der alte Mann nun eine Möglichkeit, die politische Oberhand zurückzugewinnen, die Gläubigen aufs Neue anzufeuern. Es war das Pech ihres Bruders, dass sein Buch für den Sterbenden zum letzten Strohhalm wurde. Und was die Anführer der britischen Muslime betraf, wen bitte führten die denn an? Sie waren Anführer ohne Gefolgschaft, Scharlatane, die hofften, sich aus dem Unglück ihres Bruders eine Karriere schmieden zu können. Seit einer Generation verfolgten die ethnischen Minderheiten in Großbritannien eine säkulare und sozialistische Politik. Und nun versuchten die Moscheen, dieser Politik den Garaus zu machen, damit die Religion wieder den Ton angab. Britische ›Asiaten‹ hatten sich nie zuvor in Hindus, Muslime und Sikhs gespalten (auch wenn es Splittergruppen anderer Art gegeben hatte, denn während des Bangladeschkrieges war es zu einer bitterbösen Aufteilung in Britisch-Pakistani und Britisch-Bangladeschi gekommen). Irgendwer musste diesen Leuten, die einen konfessionellen, sektiererischen Keil in die Gemeinschaft trieben, einmal deutlich die Meinung sagen, forderte Sameen, musste diesen Mullahs und sogenannten Anführern sagen, was sie für Heuchler und Opportunisten waren. Sie sei bereit, diese Person zu sein, und er wusste, wortgewandt und geschickt wie sie war, würde sie eine formidable Gegnerin abgeben.
    Er aber bat sie, sich zurückzuhalten. Ihre Tochter Maya war noch kein Jahr alt. Wenn sie sich zu seinem Sprachrohr machte, würden die Medien vor ihrem Haus kampieren, und dann gäbe es kein Entkommen mehr vor dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit; ihr Privatleben, das junge Leben ihrer Tochter, würde vor die Kameras und Mikrofone gezerrt werden. Außerdem ließ sich unmöglich vorhersagen, welchen Gefahren sie sich damit aussetzte. Und er wollte nicht, dass sie seinetwegen Risiken einging. Außerdem gab es da noch ein Problem: Sollte bekannt werden, dass sie seine ›Stimme‹ war, dann, so seine Personenschützer, würde es für ihn viel schwieriger werden, sie zu besuchen. Ihm wurde klar, dass er die Menschen, die er kannte, in ›privat‹ und ›öffentlich‹ einteilen musste, und er brauche sie, erklärte er, vor allem als private Unterstützerin, weniger als seine öffentliche Sprecherin. Widerstrebend willigte sie ein.
    Eine der unvorhergesehenen Folgen dieser Entscheidung war, dass er, während die ›Affäre‹ weiterloderte, gezwungen blieb, unsichtbar zu sein, da ihn die Polizei drängte, öffentlich nicht das Wort zu ergreifen, um die Situation nicht noch anzuheizen, ein Rat, den er eine Zeit lang akzeptierte, bis er sich schließlich weigerte, länger stillzuhalten. Während seiner Abwesenheit aber gab es niemanden, der ihn liebte und für ihn sprechen konnte, seine Frau nicht, seine Schwester nicht, nicht seine engsten Freunde, niemand, wenn er ihn weiterhin sehen wollte. In den Medien wurde er zu einem Menschen, der von keinem geliebt, aber von vielen gehasst wurde. »Der Tod ist für ihn eigentlich noch zu wenig«, sagte Iqbal Sacranie vom britischen Aktionskomitee für islamische Angelegenheiten. »Falls er Allah den Allmächtigen nicht um Vergebung anfleht, möge sein Verstand für den Rest seines Lebens Höllenqualen leiden.« 2005 wurde ebendieser Sacranie auf Vorschlag der Regierung Blair für seine Verdienste um ein friedliches Zusammenleben in den Adelsstand erhoben.
    *
    Unterwegs in die Cotswolds hielten sie an, um zu tanken. Er musste auf die Toilette, öffnete die Tür und stieg aus. Ausnahmslos alle, die sich in der Raststätte aufhielten, drehten sich zu ihm um und starrten ihn an. Sein Bild war auf der Titelseite jeder Zeitung – Martin Amis sagte in seiner unnachahmlichen Weise, er sei ›auf die Titelseite ver

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