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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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irgendwelche Umstände nicht dazu, miteinander zu reden, und Zafar hörte etwas Schockierendes von Freunden auf dem Schulhof, reagierte er meist ziemlich aufgebracht. Miteinander in Kontakt zu bleiben war enorm wichtig. Deshalb der tägliche Telefonanruf. Mit Clarissa hatte er vereinbart, dass sie, wenn sie aus irgendeinem Grund nicht um sieben Uhr mit Zafar zu Hause sein konnte, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter in der St. Peter’s Street hinterließ und ihm mitteilte, wann sie zurück sein würden. Er rief in der Burma Road an. Keine Antwort. Er hinterließ eine Nachricht auf Clarissas Anrufbeantworter und fragte dann seinen eigenen ab. Sie hatte keine Nachricht hinterlassen. Na ja, dachte er, die beiden sind ein wenig spät dran. Eine Viertelstunde später rief er erneut an. Niemand nahm ab. Wieder telefonierte er mit seinem eigenen Anrufbeantworter. Nichts. Mittlerweile begann er sich Sor gen zu machen. Es war schon beinahe Viertel vor acht, und das an einem Schultag. So spät noch unterwegs zu sein, das war für sie nicht normal. In den nächsten zehn Minuten rief er zwei weitere Male an. Keine Antwort. Allmählich geriet er in Panik.
    Die Ereignisse des Tages verblassten. Die Organisation der Islamischen Konferenz hatte ihn einen Abtrünnigen genannt, es aber vermieden, den iranischen Todesbefehl zu befürworten. Muslime planten eine Demonstration in Cardiff. Marianne war verstimmt, weil sich ihr frisch veröffentlichter Roman John Dollar in der letzten Woche exakt vierundzwanzigmal verkauft hatte. Nichts davon war jetzt noch wichtig. Immer wieder rief er in der Burma Road an, wählte und wählte wie ein Irrer; die Hände begannen zu zittern. Er saß auf dem Boden, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, Telefon im Schoß, wählte und wählte. Das Personenschützerteam hatte erneut gewechselt; Stan und Benny waren wieder da, zusammen mit zwei neuen Fahrern, einem frech-verschmitzten, gutmütigen Kerl namens Keith, alias ›Stumpy‹, und einem rothaarigen Waliser namens Alan Owen. Stan fiel die hektische Telefoniererei seines ›Kunden‹ auf, und er fragte, ob alles in Ordnung sei.
    Nein, erwiderte er, offenbar nicht. Clarissa und Zafar waren jetzt eineinviertel Stunden über die vereinbarte Telefonzeit hinaus und hatten kein Wort der Erklärung hinterlassen. Stans Miene wurde ernst. »Weicht dies«, fragte er, »vom normalen Tagesablauf ab? Jede Abweichung sollte uns nämlich zu denken geben.« Ja, sagte er, dies weiche vom normalen Tagesablauf ab. »Okay«, erwiderte Stan, »ich kümmere mich drum. Lassen Sie mich ein paar Anrufe machen.« Einige Minuten später kam er zurück und sagte, er habe mit der ›Metpol‹ gesprochen, der Londoner Metropolitan Police; man schicke sofort einen Wagen zur angegebenen Adresse und lasse ihn langsam am Haus vorbeifahren. Danach krochen die Minuten so zäh und eisig wie ein Gletscher dahin, und als der Bericht kam, erstarrte sein Herz. »Der Wagen ist gerade am Haus vorbeigefahren«, erzählte Stan, »und es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass die Tür offenstand; alle Lichter waren an.« Er brachte kein Wort heraus. »Die Beamten haben natürlich nicht versucht, ins Haus einzudringen«, sagte Steve. »Bei der jetzigen Lage der Dinge können sie nicht wissen, was sie dort erwartet.«
    Er sah Leichen in der Eingangshalle liegen. Er sah die hell angestrahlten Puppenleiber seines Sohnes und seiner ersten Frau im Blut schwimmen. Das Leben war vorbei. Er war fortgerannt und hatte sich versteckt wie ein verschrecktes Kaninchen, aber die, die er liebte, hatten den Preis bezahlt. »Ich will Sie nur kurz über unser weiteres Vorgehen informieren«, sagte Stan. »Wir werden ins Haus eindringen, aber Sie müssen uns etwa vierzig Minuten Zeit lassen. So lange brauchen wir, um eine Truppe zusammenzustellen.«
    Vielleicht waren ja nicht beide tot. Vielleicht lebte sein Sohn noch, und man hatte ihn als Geisel genommen. »Damit das klar ist«, sagte er zu Stan, »wenn sie ihn haben und Lösegeld oder mich im Austausch für ihn haben wollen, dann gehe ich auf die Forderungen ein; und Sie werden mich nicht davon abhalten. Nur damit wir uns verstehen.«
    Wie eine Figur in einem Pinter-Stück legte Stan eine lange, bedeutungsschwere Pause ein, ehe er sagte: »Das mit dem Geiselaustausch klappt nur im Fernsehen. Sollte es sich tatsächlich um einen feindseligen Überfall handeln, muss ich Ihnen leider sagen, dass sie vermutlich beide tot sind. Ihnen bleibt nur die Frage, ob Sie

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