Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
seinem Stuhle geleiten ließ und in die Kissen sank. »Verzeih du, Mamachen, und auch du, lieber Wahrsager! Pharao«, setzte er in lächelnder Überlegung hinzu, »brauchte sich nicht zu entschuldigen, denn er ist unumschränkt, und außerdem ist er nicht gegangen, sondern wurde geholt. Aber er entschuldigt sich trotzdem, aus Freundlichkeit. Nun jedoch zu den Geschäften! Wir haben Zeit, allein zu verlieren haben wir keine. Nimm deinen Sitz, ewige Mutter, wenn ich dich ehrfürchtig bitten darf! Es ziemt sich nicht, daß du auf deinen Füßen bist, wo der Sohn ruht. Nur der Jüngling mit dem unteren Namen möge noch etwas stehen vor Pharao bei den Geschäften, die uns aus meinen Träumen erwachsen – sie kamen auch von unten, aus der Sorge ums Obere kamen sie, – er aber scheint mir gesegnet von unten herauf und von oben herab. – Du bist also der Meinung, Osarsiph«, fragte er, »daß man die Fülle muß züchtigen zugunsten des Mangels, der nach ihr kommt, und muß in die Scheuern sammeln ungeheuer, um austeilen zu können in den dürren Jahren, damit nicht das Obere Schaden leide mit dem Unteren?«
»Genau so, lieber Herr«, antwortete Joseph, – eine der Etikette ganz fremde Anrede, die sogleich blanke Tränen in Pharao’s Augen brachte. »Das ist die stumme Weisung der Träume. Der Scheuern und Kornkammern können es gar nicht genug sein, es sind ihrer viele im Lande, aber zu wenige. Neue müssen gebaut werden überall, daß ihre Zahl ist wie die Sterne am Himmel. Und überall müssen Amtsleute eingesetzt sein, die Fülle in Zucht zu nehmen und die Abgabe einzutreiben, – nicht nach willkürlicher Schätzung, die sich wohl bestechen läßt mit Geschenken, sondern nach einem festen und heiligen Schlüssel – und Brot aufschütten in Pharao’s Kornhäusern, daß es ist wie der Sand am Meer, zum Vorrat in den Städten, und müssen es verwahren, damit man Nahrung vorbereitet finde in den teuren Jahren und nicht das Land vor Hunger verderbe zum Nutzen Amuns, der Pharao beim Volke verzeigen und sprechen würde: ›Der König ist schuld, und das ist die Strafe für neuernde Lehre und Anbetung.‹ Wenn ich aber sage: Austeilen, so mein’ ich’s nicht einmal für allemal, sondern austeilen soll man den Kleinen und Armen, den Großen und Reichen aber soll man verkaufen. Denn Spreuzeit heißt teure Zeit, und ist der Nil klein, so sind groß die Preise, und teuer soll man verkaufen den Reichen, daß man den Reichtum beuge und beuge alles, was sich im Lande noch groß dünkt neben Pharao – nur er sei reich in Ägyptenland und werde golden und silbern!«
»Wer soll verkaufen?« rief Amenhotep erschrocken. »Gottes Sohn, der König?«
Aber Joseph erwiderte:
»Beileibe nicht! Denn hier denke ich nun an den verständigen und weisen Mann, den Pharao sich ersehen muß unter seinen Dienern, an ihn, der erfüllt ist vom Geist der Vorsorge, den Herrn des Überblicks, der alles sieht bis an des Landes Grenzen und noch darüber hinaus, weil des Landes Grenzen nicht seine Grenzen sind. Den setze Pharao ein und setze ihn über Ägyptenland mit dem Worte: ›Sei wie ich‹, damit er die Fülle züchtige, solange sie währt, und den Mangel ernähre, wenn er kommt. Er sei wie der Mond zwischen Pharao, unserer schönen Sonne, und der unteren Erde. Er soll die Scheuern erstellen, soll lenken das Heer der Amtsleute und den Schlüssel der Einziehung festsetzen. Ermessen soll er und befinden, wo zu verteilen ist und wo zu verkaufen, soll machen, daß die Kleinen essen und Pharao’s Lehren lauschen, und soll die Großen beuteln zugunsten der Kronen, daß Pharao silbern und golden werde über und über.«
Die Göttin-Mutter lachte ein wenig auf ihrem Stuhl.
»Du lachst, Mamachen«, sagte Amenhotep. »Aber meine Majestät findet es wirklich interessant, was der Wahrsager da wahrsagt. Pharao sieht von oben herab auf diese unteren Dinge, aber es interessiert ihn in hohem Grade, was der Mond da spaß- und geisterhaft anstellt auf Erden. Sage mir mehr, Wahrsager, da wir im Rate sind, von dem Mittelsmann, dem heiter-anschlägigen Jüngling, wie er es deiner Meinung nach halten und treiben sollte, wenn ich ihn eingesetzt!«
»Ich bin nicht Keme’s Kind und nicht des Jeôrs Sohn«, antwortete Joseph, »sondern kam von Weitem. Aber der Rock meines Leibes ist längst ganz aus ägyptischem Stoff gemacht, denn schon mit siebzehn zog ich hernieder mit den Führern, die Gott mir bestellt, den Midianitern, und kam nach No-Amun, deiner Stadt.
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