Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
damit, daß man die Debatte eingrenzte auf den Fall des Jakob von Sekanja. Seine Herren sollten wissen, daß die Aktion gegen den Wundertäter nur ein erster Schritt auf einem Wege zu viel Bedeutsamerem sei. Er erklärte: »Damit kein Mißverständnis aufkomme, präzisiere ich nochmals. Es gibt dreierlei Arten von Juden. Erstens solche, die, als Juden geboren, sich darauf beschränken, ihren Glauben auszuüben. Das mögen sie ruhig, sie werden nicht verfolgt. Zweitens solche, die Propaganda und Proselyten machen. Deren Gegenwart ist weder in Italien noch in irgendeiner Provinz des Reichs erlaubt, ihr Aufenthalt ist auf die Provinz Judäa beschränkt, auch dort unterstehen sie der Überwachung durch die Polizei. Dann aber«, er sprach langsamer, genießerisch, »gibt es noch eine dritte Art von Juden, und diese sind, scheint mir, die schlimmsten.« Er unterbrach sich, kostete die Erwartung seiner Herren aus und erläuterte schließlich: »Ich meine diejenigen, welche, in der Staatsreligion geboren, sie verleugnen, um dem Gotte der Juden anzuhängen und die Göttlichkeit des Kaisers anzuzweifeln.«
»Womit Klarheit geschaffen wäre«, sagte trocken Marull. Der praktische Norban aber zog sogleich die nächsten Folgen. »Wir werden also wohl«, sagte er, »fürs erste Jakob den Wundertäter verbannen, fürs zweite den Senator Glabrio unter Anklage stellen.« Die andern sahen hoch. Der Senator Glabrio war ein friedfertiger Herr, dem man Feindseligkeit gegen das Regime nicht vorwerfen konnte; daß er sich viel mit exotischer Philosophie, vor allem eben mit der Doktrin der Christen abgab, galt den meisten als liebenswürdige Schrulle. Bassus versuchte zu mildern. »Vielleicht«, schlug er vor, »prozessieren wir zunächst ein paar kleine Leute aus dem Volk, die dem jüdischen Irrglauben anhängen; das wäre eine Art Warnung.« – »Ich würde kleine Leute nicht verfolgen«, gab Regin zu bedenken, »es schädigt nur das Prestige des Kaisers bei den Massen.« Domitian, mit seinem bösartigen Lächeln, verfügte: »Glabrio ist klein genug.« – »Ich werde also das Material gegen den Senator Glabrio wegen Verstoßes gegen die Staatsreligion zusammenstellen«, erwiderte Norban. »Ja«, stimmte Domitian bei und tat beinahe gelangweilt, »stellen Sie zunächst das Material gegen Glabrio zusammen!«
Allen war klar, was dieses »zunächst« andeutete. Es zielte sehr hoch, es zielte auf des Kaisers Vetter, den Prinzen Clemens.
Wenn Sabin der Versuchung nicht hatte widerstehen können, sich in die Verschwörung des Saturnin einzulassen, so war Prinz Clemens bar jedes politischen Ehrgeizes. Er verbrachte den größten Teil seiner Zeit fern von Rom auf seinem etrurischen Landsitz, in der Nähe des Städtchens Cosa, in jenem altmodischen Landhaus, dem ältesten Besitz der Flavier. Selbst Norban, gewiß kein Freund des Clemens, konnte dem Kaiser nur berichten, daß die Tage des Prinzen ausgefüllt seien mit dem Studium östlicher Philosophie. Die Doktrin der Juden und der Minäer aber sei berechnet auf die Denkart kleiner Leute, sie predige Widerstandslosigkeit, fasele von einem Reich, das nicht von dieser Welt sei, so also, daß man von Clemens keinerlei gefährliche politische Aktivität zu befürchten habe.
Domitian fand, daß eine solche Betrachtungsweise seinem Polizeiminister sehr wohl anstehe; er selber aber, der Zensor Domitian, hatte Wesen und Gehabe dieses Clemens ganz anders zu werten. Schon wenn ein Irgendwer, ein Mann des Zweiten Adels oder ein unbedeutender Senator, sich der Denkweise der Christen näherte, war das verwerflich; denn die Christen predigten Abkehr von den Dingen dieser Welt, und Untätigkeit steht einem Mann aus alter römischer Familie schlecht an. Wenn aber gar Prinz Clemens, Vetter des Kaisers und nach ihm der erste Mann im Reich, statt sinnvoller politischer oder militärischer Tätigkeit nachzugehen, diesem Aberglauben anhing und sich so seinen staatsbürgerlichen Pflichten entzog, dann gab diese verbrecherische Indolenz ein höchst verderbliches Beispiel. Wie sollte er, der Herrscher, seine Senatoren zu guten Dienern am Vaterland erziehen, wenn sein eigener Vetter sich von diesem Dienst drückte!
Es waren nicht nur nationale und religiöse Erwägungen so allgemeiner Art, die den Kaiser gegen Clemens aufbrachten. Vielmehr kränkte es ihn persönlich, daß dieser faule, untüchtige Bursche Clemens seine, des Domitian, Göttlichkeit, seine Genialität nicht anerkannte. Nicht etwa,
Weitere Kostenlose Bücher