Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
unter Heiden und Juden, gehaßt von beiden, in höchster Dürftigkeit, seines Vermögens beraubt und unter dem Verbot, daß Freunde ihn besuchen oder beschenken dürfen. Aber er ertrug das ohne Auflehnung, er ging in Elend und Verbannung, als ginge er einer freudigen Zukunft entgegen.
Dann kam der Prozeß und die Hinrichtung des Senators Glabrio, und wenn sich auch Clemens und Domitilla wenig um die römischen Dinge kümmerten, so mußten sie doch erkennen, daß die Gefahr jetzt nach ihnen selber griff. Domitilla sprach dem Clemens davon mit der dürren Klarheit, die ihr eigen war. Sie selber hatte sich für stark im Glauben gehalten, aber jetzt, da ihr die Gegenwart und die Unterweisung Jakobs fehlte, war sie nicht gewillt, ohne weiteres zu dulden, sondern entschlossen, sich mit aller Kraft gegen das drohende Schicksal zu wehren. Um so mehr erstaunt war sie, als sie hierbei auf den entschiedenen Widerstand des Clemens stieß. In ihm hatten die Verbannung Jakobs und die Hinrichtung Glabrios eine verbissene Märtyrerstimmung erzeugt. Nicht etwa als ob er hochmütig geworden wäre. Er fühlte sich nicht berufen, mit eigener Hand nach der Krone des Märtyrers zu greifen und durch eine Demonstration die Rache des Kaisers auf sein Haupt herabzuziehen. Er war vielmehr gewillt, weiter zu leben wie bisher, dem Kaiser nicht zu widerstreben, sich ihm willig zu fügen, aber er war auch ebenso fest entschlossen, keinen von den Rettungsversuchen zu unternehmen, die ihm Domitilla vorschlug. Was immer geschehen wird, er wird sich dem Los nicht entziehen, das ihm die Gottheit bestimmt hat.
So also wartete er. Er wußte, daß DDD seine Entschlüsse sehr langsam reifen ließ und daß er also vielleicht sehr lange werde zu warten haben. Da aber ereignete es sich, daß er, in einem Gespräch mit dem Schriftsteller Quintilian, selber das Martyrium herbeirief, das über ihn zu verhängen er der Gottheit hatte überlassen wollen.
Es kam dies so: Domitian hatte gewünscht, daß seine künftigen Adoptivsöhne römisch erzogen würden, und hatte ihnen zu diesem Zweck den Quintilian zum Lehrer gegeben, den großen Redner, den ersten Stilisten der Epoche. Quintilian hatte Weisung, den Knaben alles fernzuhalten, was künftigen Herrschern des Römischen Reichs nicht angemessen sei, andernteils aber Zusammenstöße mit den Eltern zu vermeiden. So widerspruchsvoll diese Weisungen klangen, es war dem Quintilian, einem stattlichen, höflichen, sehr würdigen, geschmeidigen und doch sehr bestimmten Herrn, geglückt, sie zu befolgen. Es wurde auf eine höfliche und sehr faire Art ein stiller Kampf geführt zwischen den Eltern der Knaben und ihrem Lehrer, und ohne daß sich Quintilian geradezu zwischen die Eltern und Kinder stellte, brachte er es gleichwohl zuwege, ihnen die Knaben auf behutsame, schwer faßbare Art zu entfremden.
Mehrmals machte Clemens den Versuch, sich mit dem Lehrer seiner Kinder offen auseinanderzusetzen. Aber er war dem gewandten Redner und Stilisten keineswegs gewachsen, und bei einem dieser Gespräche geschah es auch, daß er sich gegen seinen Willen dazu hinreißen ließ, so unvorsichtige Worte zu gebrauchen, daß sie dem Kaiser endlich eine Handhabe gegen ihn boten.
Quintilian hatte erklärt, es sei mehr sein Ziel, den Kindern das Nützliche als ihnen das Wahre beizubringen. Ein guter Lehrer, fand er, dürfe selbstverständlich seine Schüler mit Lügen füttern, wenn das zu einem edeln, das heißt zu einem lateinischen oder römischen Zwecke geschehe. »Ich habe«, sagte er, »als Redner vor Gericht niemals Bedenken getragen, zweifelhafte Behauptungen vorzubringen, wenn ich keinen andern Weg sah, um die Richter für die gute Sache zu erwärmen.« – »Wissen Sie immer so genau«, konnte sich da Prinz Clemens zu fragen nicht enthalten, »was die gute Sache ist?« – »In unserm Fall«, erwiderte Quintilian, »weiß ich es genau. Vor den Prinzen Constans und Petron ist mir jede Behauptung gut und recht, welche dazu beitragen kann, sie zu flavischen Herrschern zu erziehen. Die gute Sache, der ich zu dienen habe, ist der Bestand und die Herrschaft der flavischen Dynastie.« – »Ich beneide Sie um Ihre Sicherheit«, erwiderte darauf Clemens, und: »Die gute Sache«, fuhr er nachdenklich fort. »So viele verstehen darunter soviel Verschiedenes. Ich zum Beispiel weiß gewiß: die Herrschaft der Flavier wird versinken, und ebenso gewiß kenne ich ein andres Reich, das bleiben wird.«
Auf diese
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