Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
verwunden konnte, viele Umwege freilich waren nötig, aber schwach war die Stelle, verwundbar war sie, und die Aussichten sind gut, daß er diesmal den Josephus, den Verhaßten, endlich treffen wird. »Ja, und Domitian«, erwiderte er also, »das eben ist die Frage: wie trägt es Domitian?« Dorion, ebenso langsam wie er, sagte, mit ihrer dünnen, schleppenden Stimme: »Er ist sehr mißtrauisch. Er errät oft mehr, als da ist. Wie sollte er das, was ist, nicht entdeckt haben?« Phineas aber sagte: »Wer kann in den Kaiser hineinschauen? Er ist noch schwerer durchschaubar als der Jude Josephus.« – »Es ist merkwürdig«, grübelte Dorion weiter, »daß er den Josef nach jener Rezitation unbehelligt gelassen hat. Vielleicht sind hier Zusammenhänge. Vielleicht weiß DDD etwas und will es nicht zur Kenntnis nehmen.«
Und Phineas gab zu erwägen: »Vielleicht könnte man den Kaiser zwingen, davon Kenntnis zu nehmen, daß seine Frau auf ärgerniserregende Art befreundet ist mit dem Juden Josephus.«
Dorion aber, und jetzt war in ihren meerfarbenen Augen das gleiche, leise böse Flackern wie in den seinen, erwiderte: »Auf alle Fälle danke ich Ihnen, mein Phineas. Ihr geschwätziger Bericht war doch nicht so weit vom Thema ab, wie ich ursprünglich glaubte.«
Von da an wurde das Getuschel, das in Rom über die Beziehungen der Kaiserin zu dem Juden umging, immer lauter, bald konnte man es auf allen Straßen hören.
Norban, in der Erinnerung an den Zorn des Kaisers, als er ihm den Witz des Aelius über sie berichtet hatte, beriet mit Messalin, ob man DDD von dem Gerede informieren solle. »Lucia ist in Bajae«, überlegte Messalin, »der Jude Josephus hat mehrere Wochen in Bajae verbracht. Ich sehe keinen Grund, DDD das zu verschweigen.« – »DDD wird sich darüber wundern, daß man es ihm berichtet. Es ist auch nicht verwunderlich und will gar nichts besagen, wenn der Jude Josephus in der Nähe seines Sohnes sein will, in Bajae. DDD wird es grotesk finden, daß jemand dabei auf anstößige Gedanken kommen kann.« – »Es ist auch grotesk«, gab der Blinde mit seiner sanften Stimme zu. »Dennoch wäre es vielleicht angebracht, DDD darüber zu informieren, daß die Kaiserin an dem Juden und seinem Sohn einen Anteil nimmt, der Ärgernis erregt.« – »Das wäre angebracht«, erwiderte Norban, »aber es ist ein heikles Geschäft. Würden Sie es übernehmen, mein Messalin? Sie würden sich ein Verdienst um das Römische Reich erwerben.« – »DDD muß von selber daraufkommen«, regte Messalin an. »Es scheint mir zu Ihrem Amtsbereich zu gehören, mein Norban, zu bewirken, daß DDD von selber daraufkommt.« – »Und selbst wenn er auf solche Gedanken käme«, erwog Norban, »Lucia brauchte nur zu lachen, und diese Gedanken verschwänden, und übrig blieben höchstens gefährliche Gefühle gegen jenen Mann, der ihn auf solche Gedanken gebracht hat.« – »Es ist nicht gut«, sagte sentenziös Messalin, »daß der Herr und Gott Domitian so eng und tief an einer Frau hängt. Sie sollten es vielleicht doch wagen, mein Norban, ihn auf die erwähnten Gedanken zu stoßen. Es gehört nun einmal zu Ihrem Amtsbereich, und Sie würden sich ein Verdienst um den Staat erwerben.«
Norban dachte lange über diese Unterredung nach. Er war dem Kaiser sehr freund, er war ihm treu, er hielt ihn für den größten Römer, und er haßte Lucia aus vielen Gründen. Er spürte genau, daß ihre Art höher war als die seine, und die freundlich unbeteiligte Manier, wie sie ihn gelegentlich aufzog, erbitterte ihn tief. Viel lieber wäre ihm gewesen, sie hätte ihn gehaßt und bei DDD gegen ihn gearbeitet. Auch kränkte es ihn, daß sie, die der Herr und Gott Domitian seiner Liebe würdigte, diese Liebe offenbar nicht recht schätzte. Er war des ehrlichen Glaubens, daß ihr Einfluß Kaiser und Reich schade. Daß sie sich gar mit dem Juden abgab, verkleinerte DDD, es war seinem Ansehen abträglich, und überdies war es Lucia wohl zuzutrauen, daß sie mit dem Juden schlief.
Was aber konnte er, Norban, dagegen unternehmen? Messalin hatte leicht sagen: »Stoßen Sie den Kaiser darauf!« Wie war das zu machen? Was konnte Norban unternehmen, was den Kaiser dahin hätte bringen können, endlich gegen den Juden und gegen die Frau einzuschreiten?
Während er sich mit solchen Gedanken abquälte, fand er eines Tages in seinem Einlauf ein vertrauliches Schreiben des Falco, Gouverneurs von Judäa, über die Zustände der Provinz.
Weitere Kostenlose Bücher