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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gedanken des Herrn und Gottes Domitian«, sagte er ehrerbietig und dennoch sehr gleichmütig, »sind so erhaben, daß ein Sterblicher sie nie ganz begreifen, daß er sie höchstens ahnen kann. Wir sehen nur Flavius Josephus und Flavius Matthias, Menschen aus Fleisch und Blut. Der Gott Domitian erkennt, was hinter ihnen steht.«
      Es hatte den Domitian verdrossen, daß ihn Norban durchschaute; daß ihn Messalin begriff, war ihm eine Genugtuung. Der Blinde war ein fast ebenbürtiger Geist. Auf wie feine Art hatte er in Worte gefaßt, was er, Domitian, spürte. Ja, die Ahnung des Blinden kam nah heran an seine eigene, hohe, den übrigen verborgene Wirklichkeit. »Du bist sehr weise, mein Messalin«, sagte er, und jetzt klang seine Stimme laut und befreit, »und du bist mein Freund. Im Grunde bist du mein einziger Freund. Vielleicht ist es deshalb, daß du so weise bist. Genauso, wie du es gesagt hast, liegen die Dinge. Es sind leider keine Menschen, gegen die ich zu kämpfen habe, es ist der Gott. Stünde nicht der Gott hinter ihnen, mit dem Hauch meines Mundes bliese ich sie weg. Da du mich so gut begriffen hast, mein Messalin, so begreifst du bestimmt auch dies. Denke nach darüber, denke gut nach und gib mir einen Rat!«
      Wieder war eine lange Weile nichts im Raum als der Springbrunnen. Erregt wartete Domitian, voller Zuversicht. Er war gewiß, der Gute, Getreue wird ihm einen Rat wissen. Da begann denn auch Messalin zu sprechen. Sehr behutsam führte er aus: »Er ist ein Davidssproß und also dein Gegner. Du aber schonst ihn und hassest ihn nicht an, weil er als Davidssproß ein Schützling des Gottes Jahve ist und du nichts zu tun haben willst mit diesem Gotte Jahve. Hab ich die Weisheit meines Herrn und Gottes recht begriffen?« – »Du hast es«, erwiderte Domitian. »Wie aber«, fuhr Messalin fort, »wenn der Davidssproß Handlungen unternähme gegen die Sicherheit des Kaisers oder des Reichs? Würdest du ihn auch dann schonen, Kaiser Domitian, bloß weil er ein Davidssproß ist?« Der Kaiser hatte scharf aufgemerkt. »Du meinst, dann könnte ich ihn bestrafen?« fragte er. »Das Verbrechen«, antwortete Messalin, »daß er ein Davidssproß ist, kannst du nicht bestrafen, denn es ist ein Verbrechen des Gottes Jahve, mit dem du keinen Streit haben willst. Aber jedes andere Verbrechen des Josephus oder des Matthias könntest du bestrafen, denn es wäre das Verbrechen eines Menschen und ginge deinen Streit mit dem Gotte Jahve nichts an. Das ist die Meinung eines gemeinen Sterblichen«, fügte er ehrerbietig hinzu. »Es steht bei dem Gotte Domitian, darüber zu befinden, ob sie schlüssig ist oder nicht.«
      »Dem Jahve bin ich es schuldig«, rekapitulierte heiser Domitian, »seinen Davidssprößlingen ihre Existenz hingehen zu lassen. Dem Jupiter aber bin ich es schuldig, diejenigen zu bestrafen, die sich gegen ihn und gegen mich vergehen. Du bist sehr klug, mein Messalin. Du hast ausgesprochen, was ich selber schon gedacht habe.«
      Der Blinde hielt den Kopf sehr weit vorgeneigt, um die Worte des Kaisers einzutrinken. Eine fast wollüstige Erregung war in ihm. Das ist ein Meisterstück, das er da vollbringt. Man kann blind sein und dennoch ganz genau sehen, welche Schleuse man öffnen muß, damit eine große Flut entfesselt werde. Domitian hat seine Worte in sich aufgenommen. Jetzt wird über eine Reihe von Menschen eine große Flut Unheils hereinbrechen, und er selber in seiner Dunkelheit wird sich daran freuen, daß er es war, der das alles gemacht hat. »Ich danke dem Herrn und Gott Domitian«, sagte er ehrfürchtig, »daß er mich hat hineinschauen lassen in das tiefe und vielfältige Getriebe seiner weisen und maßvollen Gedanken.«
      »Du bist ein ebenso weiser wie treuer Mann, mein Messalm«, erwiderte Domitian. »Du bist es wert, die Faust zu meinen Gedanken zu sein.« Und er entließ ihn in großer Huld.
      Als der Abend herabsank und es kühler wurde, stand der Kaiser vor seinen Tierkäfigen. Herrlich wäre es, wenn der Knabe Matthias schuldig würde! Herrlich wäre es, wenn er, Domitian, Anlaß hätte, den Knaben zu bestrafen! Herrlich wäre es, wenn der Knabe nicht mehr in der Welt wäre! Die Erinnerung an die tiefe Stimme des Knaben peinigte den Kaiser mehr als je die Erinnerung an die schmetternde Stimme seines Bruders Titus.
      Es wäre ein schwerer Schlag für den Juden Josephus, wenn er diesen seinen begnadeten Sohn verlöre. Er wird zu Lucia laufen, er wird heulen und

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