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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zunächst fest, daß seine Glatze wenig und sein Bauch gar nicht zugenommen habe. Dann ging sie geradewegs auf ihr Ziel los. »Ich bin gekommen«, sagte sie, »um Ihnen einen Rat zu geben. Es hält sich hier seit einiger Zeit der Erzpriester der Juden auf, der Großdoktor Gamaliel, von Ihnen in seiner Würde bestätigt. Diesem Manne gegenüber verhalten Sie sich nicht so, wie Sie müßten. Wenn Sie sein Lehrhaus verbieten wollen, dann, finde ich, müßten Sie, der Imperator Domitianus Germanicus, den Mut aufbringen, es dem Manne ins Gesicht zu sagen. Aber den Mann weder sehen noch ihn wegschicken, dem Manne weder ja antworten noch nein, das sind Methoden, die an die Zeit erinnern, da man Sie noch Bübchen oder Früchtchen nannte. Ich hatte geglaubt, diese Zeiten seien vorbei. Ich hatte geglaubt, Sie seien männlicher geworden, seitdem Titus tot ist und Sie Kaiser sind. Ich bedaure Ihren Rückfall.«
      Domitian feixte. »Haben Sie schlecht geschlafen, Lucia?« fragte er. »Oder haben Sie schlechte Geschäfte gemacht? Haben Sie sich verkalkuliert bei einer Lieferung Ihrer Ziegeleien?« – »Werden Sie den Großdoktor sehen?« beharrte Lucia. »Sie haben starkes Interesse an dem Mann«, meinte Domitian, und sein Feixen wurde finster bösartig.
      »Ich werde ihn sehen«, entschloß sich Lucia und legte einen kleinen Ton auf das »ich«. »Es wird Aufsehen machen, wenn ich ihn empfange. Der Großdoktor selber wird es wahrscheinlich unschicklich finden, bei mir zu erscheinen, bevor er von Ihnen empfangen worden ist.« – »Das geht den Hofmarschall Crispin an«, erwiderte Domitian.
      »Ich warne Sie, Wäuchlein«, sagte Lucia. »Machen Sie keine Ausflüchte! Versuchen Sie es nicht, dieses unwillkommene Geschäft so zu erledigen, wie Sie gewisse andere erledigt haben! Schicken Sie den Mann nicht fort, ehe Sie ihn gehört haben! Bringen Sie ihn nicht aus dem Weg! Daß Sie mich verbannt haben, ist mir nicht übel bekommen. Wenn Sie weiter in

    dieser Sache mit dem Großdoktor unanständig handeln, dann könnte es sein, daß ich mich selber verbanne.«

    Der Kaiser, nachdem sie gegangen war, sagte sich, sie habe mit ihren groben Reden nur offene Türen eingerannt. Denn wenn er auch dieses aufsässige Judenpack durch Angst und Spannung ein wenig hatte mürbe machen wollen, so hatte er, der berufene Beschirmer der Götter aller ihm unterworfenen Völker, noch niemals im Ernste daran gedacht, dem Großdoktor und den Seinen ihre Kultstätte zu nehmen. Er brachte es aber auch jetzt, nach Lucias Besuch, nicht über sich, die Juden von ihrer Angst zu befreien, sondern schwieg weiter, ließ sie warten, unternahm nichts.
      Der einzige, der vorläufig die Folgen von Lucias Intervention zu spüren bekam, war Hofmarschall Crispin. Als er sich am Morgen nach Lucias Besuch, geschniegelt und parfümiert wie stets, auf dem Palatin einstellte, fragte ihn der Kaiser: »Sag einmal, mein Lieber, was eigentlich verstehst du unter ›Barbaren‹?« – »Barbaren?« fragte der verblüffte Crispin zurück, und zögernd definierte er: »Das sind Menschen, denen römische und griechische Zivilisation fremd ist.« – »Hm«, meinte Domitian, »und sprechen die Juden in meiner Stadt Rom griechisch oder nicht? Und sprechen die Juden in Alexandrien griechisch oder nicht? Wieso also«, brach er plötzlich aus, dunkel überrötet, »sind die Juden mehr Barbaren als etwa ihr Ägypter? Warum soll dieser Großdoktor länger auf Audienz warten als dein Isispriester Manetho? Glaubst du, du Lumpenkerl, weil du im Jahr fünf Talente ausgibst für dein Parfüm, bist du zivilisierter als mein Geschichtsschreiber Josephus?« Crispin war zurückgewichen; sein schlanker Körper unter dem weißen Galakleid fröstelte, sein hübsches, freches, lasterhaftes Gesicht war unter der braunen Schminke grünlich erblaßt. »Soll ich also«, stammelte er, »dem Großdoktor eine Zeit für eine Audienz bestimmen?« – »Nichts sollst du!« schrie ihn mit überkippender Stimme Domitian an. »Fortscheren sollst du dich! Nachdenken sollst du!« Der betretene Hofmarschall entfernte sich eilig, nicht wissend, was er von dem Zorn des Kaisers halten, nicht wissend, was er tun sollte.
      Und weiter wartete der Großdoktor, und weiter zögerte der Kaiser, nichts geschah.
      Da, am achten Tag, nachdem Lucia den Kaiser zur Rede gestellt hatte, traf auf dem Palatin ein Kurier ein mit der unheilkündenden Feder; er überbrachte Depeschen vom dakischen

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