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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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sieht man es noch besser, guck mal …« Geir hielt noch ein Röntgenbild gegen das Licht, und Árni tat ihm den Gefallen, angestrengt hinzusehen. »Er liegt in derselben Richtung wie die anderen«, sagte Geir, »und die Beschädigung an der Wirbelsäule zeigt, dass der Stich von oben und von links kam.«
    »Was also bedeutet, dass der Mörder Rechtshänder war, oder was?«
    »Höchstwahrscheinlich. Aber da ist noch mehr. Die schräge Richtung des Stichs, also der Einfallswinkel der Klinge, der wird immer enger, je weiter es nach unten geht. Die Entfernung zwischen den Stichen – oder sagen wir, der Unterschied in der Höhe – reicht nicht aus, um diesen großen Unterschied beim Einfallswinkel zu erklären.« Er lächelte Árni strahlend an, erntete aber im Gegenzug nur einen verständnislosen Blick.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagte Árni. »Nicht den leisesten Schimmer.«
    »Na schön«, sagte Geir, die Geduld in Person. »Friðjón, Eydís und ich haben uns das gestern Abend zusammen angesehen, die Fotos und die Röntgenbilder und – ja, kurz gesagt, die Position der Leiche, als wir eintrafen, die Verbreitung des Bluts und dann die Anordnung der Stiche, wie gesagt, wenn man das alles in einen Zusammenhang stellt, dann ist es am wahrscheinlichsten – und merk dir das, Árni: am wahrscheinlichsten –, dass Ólafur gestanden haben muss, als der erste Stich erfolgte, und gesessen, als der letzte und kräftigste die Bauchhöhle durchstoßen hat und an der Wirbelsäule stecken geblieben ist. Wahrscheinlich hat er auch beim Stich davor bereits gesessen. Und irgendetwas dazwischen bei den beiden anderen Stichen.«
    »Und daraus schließen wir was?«, fragte Árni und kratzte sich am Kopf.
    »Was ihr daraus schließt, weiß ich natürlich nicht, aber so ist unser Ergebnis«, entgegnete Geir, und er klang etwas irritiert. »Ich hätte gedacht, das sei eine ganze Menge.«
    »Doch, ja, natürlich. Entschuldige, ich dachte vielleicht nur …«
    »Da ist aber noch etwas«, sagte Geir, »ich habe eines vergessen.« Er griff nach einem Messer, das auf dem nächsten Tisch lag. »Es wurde eindeutig so gehalten, wenn ich die Einstiche richtig deute.« Er hob das Messer mit der rechten Hand so hoch, dass Daumen und Zeigefinger das Heft von hinten umgriffen, und der kleine Finger war ganz unten am Heft. »Selbstverständlich ist da noch die Frage, aus welcher Höhe der Betreffende zum Stich angesetzt hat, aber alles in allem glaube ich behaupten zu können, dass der Mörder nicht kleiner als Ólafur gewesen sein kann, auf jeden Fall nicht viel kleiner. Ólafur war circa Einsneunundsiebzig, das können wir auch aufrunden und Einsachtzig sagen.«
    »Aber er hätte auch größer sein können? Der Mann mit dem Messer, meine ich?«
    »Ja, er hätte auch größer sein können.«
    »Wie groß maximal?«
    »Ich bin ein Genie, Árni, aber ich bin kein Hellseher.«
    »Okay«, sagte Árni. »Vielen Dank.«
    Ólafur Áki Bárðarson bleckte immer noch grinsend seine Zähne, als Árni den Obduktionsraum verließ.
    *
    Viðar saß auf dem Beifahrersitz des Volvos und kühlte seine Stirn an der Seitenscheibe. Er hatte den Sicherheitsgurt immer noch nicht gelöst, obwohl Sigurlaug bereits vor einer Viertelstunde vor dem Gebäude vorgefahren war, in dem er arbeitete, und seine Mittagspause vor zehn Minuten zu Ende gegangen war.
    »Das meinst du doch nicht im Ernst, Sigurlaug?«, fragte er. »Ich meine, nicht wirklich im Ernst?«
    »Doch«, erklärte Sigurlaug entschlossen. »Wie oft soll ich dir das noch sagen?«
    »Aber weshalb – ich meine, weswegen …«
    »Du hast gehört, was Ragnar gesagt hat.«
    »Ja, das habe ich. Genau wie du. Aber was hat er denn letzten Endes gesagt? Im Grunde genommen gar nichts. Hólmfríður und Bárður haben sich gegenseitig irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt. Ich begreife nicht, wie sie so etwas über ihre Mutter denken können.«
    »Es ist meine Schuld«, entgegnete Sigurlaug scharf. »Ich hätte ihnen sagen müssen, was geschehen ist.«
    »Trotzdem«, sagte Viðar, »ich finde es trotzdem außerordentlich mies. Und die beiden trauen sich nicht einmal, es dir selber ins Gesicht zu sagen, und schicken deswegen Ragnar mit diesen Unterstellungen zu dir.«
    »Es waren keine Unterstellungen, es waren Fragen«, korrigierte Sigurlaug. »Und sie haben ihn nicht geschickt, sondern er ist von sich aus gekommen, obwohl Bárður ihn gebeten hat, das nicht zu tun.«
    »Behauptet er«, nörgelte Viðar.

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