Josepsson, Aevar Örn
hängenblieben. Sie waren weder prophetisch noch göttlich, aber sie machten ihn überaus nachdenklich: Printed in Lithuania .
16
Donnerstag
Die Sonne hatte sich zwar nach vielen Tagen Abwesenheit an diesem Morgen blicken lassen, doch das reichte nicht aus, um Stefáns Stirn zu entrunzeln. Mit der Linken blätterte er in der Bibel, die Árni ihm mit dem Morgenkaffee gebracht hatte. Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zupfte er in regelmäßigen Abständen an seiner Unterlippe. Zog, dehnte und ließ los. Immer wieder. Und schnitt Grimassen. Gehabe, stets und ständig endloses Gehabe. Jävla skit , dachte er auf Schwedisch, was manchmal vorkam, obwohl er nie in Schweden gelebt hatte und nur einmal dort gewesen war.
»Müssen wir diese Möglichkeit nicht zumindest ins Auge fassen?«, traute Katrín sich nach geraumer Zeit zu fragen.
»Doch«, seufzte Stefán, »das müssen wir wohl. Augenblick …« Er griff nach dem Telefon und rief Svavar an, um die Besprechung, die vor fünf Minuten hätte beginnen sollen, zu verschieben. Svavar hatte nichts dagegen einzuwenden, und sie vereinbarten, sich stattdessen um zehn zu treffen.
»Schlimmes schiebt man am besten auf«, murmelte Stefán, nachdem er aufgelegt hatte. Árni rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und befeuchtete seine Lippen.
»Also, du glaubst doch nicht, dass Svavar etwa …?«
»Red keinen Blösinn, Junge«, sagte Stefán scharf. »Falls – und ich betone: falls – etwas daran sein sollte, dann kann ich euch versprechen, dass Svavar der Erste sein wird, der den Meister ans Messer liefert, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Er ist vielleicht, wie soll man sagen, ein etwas gottesfürchtigerer Mensch als wir anderen, und ich glaube auch – nein, ich bin mir sicher, dass er in Bezug auf den Fall Ólafur etwas weiß, was er mir nicht sagen will. Gemessen an dem, was wir bis jetzt wissen, wette ich, dass es irgendetwas mit den Besuchen der Brüder bei Ólafur am Ostermontag zu tun hat. Aber das hier …« Stefán hielt die Bibel hoch und schüttelte den Kopf. »Svavar würde sich niemals an so etwas beteiligen und es auf keinen Fall verschweigen, wenn er davon wüsste – falls es sich denn tatsächlich so verhält, was wir natürlich noch gar nicht wissen. Nicht Svavar. Ich weigere mich einfach, das zu glauben, das würde er nicht einmal tun, um den Meister zu decken. Aber die Sache ist natürlich die, dass uns absolut keine Beweise vorliegen, es geht nur um Spekulationen.« Er nahm die Baseballkappe ab, legte sie auf den Schreibtisch und faltete seine Pranken im Nacken. »Spekulationen, nichts anderes, und noch dazu ziemlich weit hergeholte«, sagte er nachdrücklich und sah Katrín und Árni an. Die schwiegen.
»Nun habt euch doch nicht so und sagt etwas«, appellierte Stefán an sie. »Sagen wir, dass – tja, worüber reden wir hier eigentlich? Katrín, was meinst du?«
Katrín nahm sich Zeit mit der Antwort.
»Im besten Fall über totalen Schwachsinn«, sagte sie dann, klang aber nicht sehr überzeugt. »Und im schlimmsten Fall …«
»Im schlimmsten Fall was?«
»Ach, ich weiß nicht. Meister Magnús als Drogenimporteur? Ist das wirklich vorstellbar? Und dass er die Bibel benutzt, um … Ist das nicht irgendwie etwas zu viel des Guten? Ich meine, der Mann ist ja schließlich Priester? Oder vielleicht nicht Priester, aber so gut wie, und im Grunde genommen heiliger als die, wenn man ihm und der ganzen Truppe von der WAHRHEIT Glauben schenken will. Svavar beispielsweise.«
»Eben deswegen«, warf Árni ein. »Alles für die Verbreitung der Botschaft, der Zweck heiligt die Mittel. Die Welt geht ja sowieso zugrunde, und diese Leute da haben meines Wissens nicht so viel mit anderen Gesetzen am Hut als denen, die sie selber aus der Bibel herauslesen.«
»Árni, wo steht es in der Bibel, dass es in Ordnung ist, Geld zu verdienen, indem man seine Mitmenschen zugrunde richtet?«, fragte Katrín zweifelnd. »Dass es in Ordnung ist, Rauschgift zu verkaufen?«
»Nirgends«, gab Árni bereitwillig zu, »jedenfalls nicht ausdrücklich mit diesen Worten. Aber diese Typen sind doch sowieso komplett ins Alte Testament abgetaucht, und dort ist ja so ziemlich alles erlaubt, vorausgesetzt, dass man Gott auf seiner Seite hat und zu dessen höherer Ehre arbeitet, notabene. Und angesichts dessen, was ich bei denen gesehen und gehört habe, zweifle ich keinen Augenblick daran, dass der Meister überzeugt davon ist, Gott auf seiner Seite zu haben,
Weitere Kostenlose Bücher