Josepsson, Aevar Örn
überdies hat er bestimmt klare Anweisungen, die Klappe zu halten, wenn er sich nicht sicher ist, was er sagen soll. Für mich ist seine Reaktion nur eine Bestätigung dessen, was du gesagt hast – es hat ihn total überrascht.«
»Ja«, pflichtete Katrín Stefán bei, »und vielleicht ist es auch nicht verwunderlich, wenn er glaubte, dass er sämtliche Spuren verwischt hätte. Falls er das war, der da als Letzter mit einem Putzlappen rumgewischt hat.«
Sie schwiegen eine ganze Weile nachdenklich und tranken ihren Kaffee.
»Und die frommen Brüder waren ebenfalls beide in Krummahólar«, sagte Katrín schließlich. »In Ólafurs Wohnung. Der eine hat etwas getrunken, der andere hat gekotzt, sagt Árni. Wo steckt Árni eigentlich?«
»Ich hab ihn nach Hause geschickt«, sagte Stefán, »und ich glaube, dass wir jetzt auch Schluss machen sollten. Das hat sich zu einem derartigen Wirrwarr entwickelt, dass es uns bestimmt guttut, das Ganze zu überschlafen. Fahr nach Hause, wir sehen uns morgen früh.«
Sobald Katrín aus dem Zimmer war, griff Stefán nach dem Telefon und rief Svavar an.
»Wir müssen miteinander reden.«
»Hat das nicht Zeit bis morgen?«, fragte Svavar. »Ich muss jetzt eigentlich zu einem Treffen«, fügte er entschuldigend hinzu. »Aber wenn es sehr dringend ist, kann ich vielleicht …«
»Nein, geh du nur zu deinem Treffen«, sagte Stefán. »Es hat Zeit bis morgen. Um acht Uhr, passt das?«
*
Einsamkeit, dachte Katrín, Einsamkeit war etwas ziemlich Unattraktives. Gewiss hatte sie sich nach der Freiheit gesehnt, die damit verbunden war, Ehemann und Kinder los zu sein, und sie hatte es anfangs voll genossen. Solange alles nach Wunsch lief. Doch als sie sich wegen des Unfalls elend fühlte, hatte sie Sveinn angerufen und ihn gebeten, nach Hause zu kommen. Was war daraus zu schließen? Und was für Schlüsse konnte sie aus dem letzten Teil des Gesprächs mit Sigurlaug ziehen, dem Teil, den sie Stefán nicht vorgespielt hatte? Árni hatte sich die Aufzeichnung bestimmt angehört.
Sigurlaug hatte vor einigen Tagen noch Ausflüchte gemacht, als Katrín sie nach dem Grund für die Trennung von Ólafur gefragt hatte, doch diesmal war sie der Frage nicht ausgewichen. Und die Antwort hatte Katrín überrascht.
Ólafur hatte schon immer Alkoholprobleme gehabt. Und er war auch hin und wieder handgreiflich geworden, wie Sigurlaug sich ausdrückte, aber nie ernsthaft und nur im Rahmen dessen, was als normal gelten konnte. Katrín hatte bei dieser Erklärung der Atem gestockt, und es war ihr schwergefallen, mit ihrer Missbilligung hinter dem Berg zu halten. Erstaunlicherweise hatten aber nicht diese beiden Tatsachen dazu geführt, dass Sigurlaug endlich den entscheidenden Schritt tat und sich den Alten vom Hals schaffte, sondern dazu kam es erst, als sie das Gefühl hatte, dass er überhaupt nicht vorhanden war.
»Egal, ob er zu Hause war oder nicht«, hatte Sigurlaug erklärt, »er war nie zu Hause bei mir. Nicht in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren, nicht, nachdem er impotent wurde. Davor war er doch hin und wieder mal präsent, aber als das wegfiel, war einfach nichts mehr. Gar nichts. Uns verband nichts, wir hatten keine gemeinsamen Interessen. Außer den Kindern gab es nichts, worüber wir sprechen konnten, und an denen hatte er auch kein sonderliches Interesse. Und ich sah es schon vor mir, im Alter ganz allein dazustehen, obwohl er im Haus war. Wozu mit jemandem zusammenleben, den man gar nicht kennt und den man nicht einmal mag? Nein«, hatte sie gesagt, »wenn ich denn sowieso schon allein sein sollte, dann war es doch besser, allein mit mir selbst zu sein als mit einem stänkernden Suffkopp. Also habe ich ihn vor die Tür gesetzt.«
Katrín parkte ihren Mazda vor ihrem Wohnblock und schloss ihn ab. Sveinn und sie hatten doch zumindest das Interesse am Hochland gemeinsam. Oder vielleicht nicht? Sie setzte sich in den Jeep, um ins Landesinnere zu fahren, hinauf auf einen Gletscher, über eine endlose Hochebene mit Sand-und Geröllwüsten und grünen Oasen dazwischen, um dann am Zielort auszusteigen und all das, was sie umgab, auf sich einwirken zu lassen. Die Weite und Unendlichkeit ringsum in sich aufzusaugen. Sveinn genoss eine solche Reise zwar auch, aber unter ganz anderen Vorzeichen. Das Vergnügen und die Herausforderung bestanden für ihn in der Fahrt selbst und darin, alle natürlichen Hindernisse mit dem vierradgetriebenen Krafttroll zu bewältigen. Und was hatten sie sonst
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