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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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und der Ton ließ absolut keinen Zweifel daran, wer die Schuld an diesem aberwitzigen Einfall des Patienten trug. Als Nächstes ließ sie sich in aller Ausführlichkeit über das unverantwortliche Vorhaben der Polizei aus, einen Mann in diesem Zustand zu verhören. Sie endete damit, dass sie keine Verantwortung für die Folgen übernehmen könne. Dann knallte sie den Hörer auf, ohne zu sagen, um welchen Patienten es sich handelte, aber Stefán hatte keine Zweifel daran, dass da nur Úlfur in Frage kam.
    Selbstverständlich hätte er auch Krankenhaus und Gefängnis nacheinander besuchen können, aber das wäre nichts als purer Egoismus seinerseits gewesen. Er warf im Geiste eine Einkronenmünze in die Luft, der Kabeljau war oben, und er fasste seinen Entschluss. Setzte sich die Baseballkappe auf, steckte den Kopenhagener in die Jackentasche und stiefelte den Korridor entlang.
    »Katrín und Árni, ihr fahrt ins Krankenhaus, sobald ihr Zeit habt. Am besten so bald wie möglich. Anscheinend hat Úlfur etwas mit uns zu bereden. Ich mache mich auf den Weg nach Eyrarbakki und versuche, etwas aus Ási herauszuquetschen. Wir bleiben in Verbindung, okay?«
    Wirklich ein bemerkenswertes Phänomen, dachte er auf dem Weg zum Auto. Man hat die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, kann sich nicht entscheiden und wirft eine Münze hoch. Und wählt dann die Möglichkeit, die nicht oben landet. Ausnahmslos.
    *
    »Hast du heute Morgen die Zeitungen gelesen?«, fragte Katrín auf dem Weg zum Krankenhaus.
    »Ja.«
    »Dann hast du wohl deinen Spaß gehabt?«
    Árni stöhnte innerlich. »Es ist vielleicht etwas übertrieben, dass ich Spaß …«
    »Aber du findest, dass sie das verdient haben, nicht wahr? Alle beide haben Ehre und Vertrauen verwirkt, noch bevor die offizielle Strafanzeige erfolgt.«
    Árni zappelte verlegen auf seinem Sitz.
    »Ja«, gab er zögernd zu, »es stört mich zumindest nicht. Und ja, eigentlich finde ich, dass ihnen recht geschieht.«
    »Ich auch«, sagte Katrín, »aber ich bedaure all diejenigen, die ihnen vertraut und geglaubt haben.«
    Ich nicht, dachte Árni. Denen geschieht ebenfalls recht, verdammt nochmal, wie konnte man so bescheuert sein. Und er war sich keineswegs sicher, ob die Brüder von diesen Leuten verurteilt würden. Er sagte aber nichts, sondern brummte etwas Unverständliches vor sich hin.
    »Was?«, hakte Katrín nach.
    »Ja, nein, du hast wahrscheinlich Recht«, stammelte Árni. »Es ist bestimmt entsetzlich, wenn man jemanden praktisch wie einen Gott verehrt, und dann stellt sich auf einmal heraus, dass er nicht weniger als ein Dreckskerl ist – sogar ein ungewöhnlich fieses Exemplar von Dreckskerl. Das ist ganz bestimmt tierisch frustrierend.«
    *
    Nach kurzem Überlegen packte Stefán den Männerchor Heimir zurück in die Hülle, schob stattdessen Sticky Fingers in den CD -Player und erhöhte die Lautstärke. Auf dem Weg aus der Stadt hinaus wurde Jagger lauthals von Stefán begleitet. Ob es da in dem ersten Lied wirklich um Farinzucker ging oder etwas wesentlich Ungesunderes, war ihm wie immer schnuppe.
    Nicht wenige seiner Kollegen beschwerten sich darüber, ständig zwischen Reykjavík und Litla-Hraun, dem Gefängnis in Eyrarbakki, hin-und herfahren zu müssen, um Untersuchungshäftlinge zu vernehmen. Stefán hingegen gab sich der Hoffnung hin, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis man ein neues Untersuchungsgefängnis in Reykjavík errichtete. Er betrachtete diese Fahrten als willkommene Gelegenheit, aus der Stadt herauszukommen, und die Þrengsli-Strecke fand er einfach besonders schön. Wenn er allein unterwegs war, gönnte er sich meist das Vergnügen, bei der automatischen Wetterstation mitten auf der Strecke anzuhalten, aus dem Auto zu steigen und ein paar Schritte in das dick bemooste Lavafeld zu laufen. Er blieb dann immer eine Weile in einer Mulde stehen, von wo aus er in alle Richtungen blicken konnte und nichts als unberührte Wildnis sah, und zwar bei jedem Wetter, das von dem technischen Wunder am Straßenrand gemessen wurde.
    »Hier sind wir noch nicht einmal eine halbe Stunde von Reykjavík entfernt«, hatte er einmal zu Árni gesagt, den er in dem vergeblichen Versuch, den Jungen von der Schönheit der Natur zu überzeugen, mit in die Lava geschleift hatte. »Und hier ist gar nichts. Wir könnten genauso gut irgendwo im Hochland oder auf dem Mond sein«, hatte er gesagt und die Arme ausgebreitet. »Wohin du auch blickst, abgesehen von dir selber bemerkst du

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