Josepsson, Aevar Örn
schnaubte Guðni ungeduldig. »Du hast dir jetzt diesen Kadaver lange genug mit Vergrößerungsglas und Lupe und Leuchte und so weiter angeguckt. Er wurde doch mit dieser Machete umgebracht, die da aus seinem Bauch herausragt, oder nicht?«
Geir schloss seelenruhig seine Tasche, nahm sie in die Hand und starrte nachdenklich zunächst auf seine Füße und dann auf Guðni. »Wollen wir es nicht so ausdrücken, mein lieber Guðni«, sagte er nach einer nachdenklichen Pause, »die Wahrscheinlichkeit, dass eine Stichwaffe verwendet wurde, ist durchaus sehr groß. Ob es aber genau dieses Messer war, das ihn dahingerafft hat – tja, weißt du, beim gegenwärtigen Stand der Dinge traue ich mir da keine Behauptung der einen oder anderen Art zu. Aber ich werde ihn bei allernächster Gelegenheit besser untersuchen und informiere dich dann.«
»Es ist aber doch am wahrscheinlichsten, oder nicht?«, insistierte Guðni. »Und eigentlich doch auch ziemlich sicher, dass er mit diesem Messer abgemurkst wurde?«
»Die Antwort darauf kannst du dir vermutlich selber geben«, entgegnete Geir achselzuckend. »Aber klar, es ist wahrscheinlicher als vieles andere, würde ich sagen«, fügte er hinzu, »weil du es bist, mein Lieber. Schönes Wochenende, Guðni.« Er wandte sich Friðjón zu. »Du schickst ihn mir dann, sobald du mit ihm fertig bist, werter Kollege. Meine Herren, das wird eine spannende Nacht. Ich glaube, ich muss mir glatt den Kneipenbummel verkneifen.« Mit diesen Worten tippte er mit zwei Fingern an den Hutrand und verließ die Wohnung ungewöhnlich leichtfüßig.
Guðni rannte kurzatmig hinter ihm her. »Mord oder Selbstmord?«
»Nun hab dich doch nicht so, Guðni«, sagte Geir unwillig, »wie soll ich denn das …«
»Hab dich doch selber nicht so. Come on , Mord oder Selbstmord, best bet ?«
Der Aufzug klingelte, und Geir stieg ein. »Gemessen an diesem und jenem«, sagte er, während er auf die Eins drückte, »halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass er es selber getan hat. Unwahrscheinlich, aber nicht …« Die Tür schloss sich.
Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dachte Guðni zufrieden. Was heißt, dass das andere wahrscheinlicher ist. Good enough for me , amigo … Er warf einen Blick auf seine Uhr, halb sieben. Er würde es noch vor Geschäftsschluss in den Alkoholladen schaffen.
»Wann kann ich mich hier umtun?«, erkundigte er sich vorsichtshalber bei Friðjón.
»Frühestens in zwei Stunden, eher sogar drei oder vier, oder noch mehr«, antwortete Friðjón, ohne von seiner Beschäftigung aufzublicken.
»Okay. Dann bis später.« Guðni schlenderte hinaus auf den Korridor und zündete sich endlich die lang ersehnte London Docks an, während er auf den Aufzug wartete.
» Open and shut «, brummte Guðni, als er sich in seinen zwanzig Jahre alten, unverwüstlichen Mercedes setzte und den Motor anließ. » Open and bloody shut case .« Das waren seiner Meinung nach die besten Fälle, vor allem so spät an einem Freitagnachmittag.
Als er Wodka und Bier im Kofferraum verstaut hatte, zog er sein Handy aus der Tasche und rief Stefán an. Er brauchte noch nicht einmal zwei Minuten, um ihm mitzuteilen, wie er die Lage einschätzte, und Stefán brauchte noch weniger Zeit, um sich zu entscheiden.
»Klingt gut, aber heute Abend unternehmen wir nichts mehr«, sagte er bedächtig. »Wir warten zumindest zuerst auf das, was uns der Erkennungsdienst sagen kann. Mach Feierabend, wir treffen uns morgen früh hier. Zehn Uhr reicht, denke ich.«
Guðni atmete auf. » Fucking brilliant «, sagte er zu sich selber, während er zu seiner Wohnung in Fellsmúli fuhr. Elvis folgte ihm in seinen blauen Wildlederschuhen.
3
Freitag
»Und was nun?«, fragte Katrín, nachdem Stefán ihr in groben Zügen von Guðnis Theorie berichtet hatte. »Worauf warten wir noch? Lassen wir nicht einfach den Mann holen und knöpfen ihn uns vor?«
Stefáns Gesicht verzog sich, und er nahm seine Baseballkappe ab. »Weißt du was«, sagte er, »eigentlich habe ich keine Lust dazu. Nicht heute Abend.«
Katrín stutzte bei dieser Äußerung und musste sich auf die Zunge beißen, um nicht zu protestieren, was Stefán nicht entging.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte er nachsichtig, »die ersten vierundzwanzig Stunden und all das, hab oft genug selber darüber doziert. Aber bei diesem Fall geht es ja wohl kaum um die ersten vierundzwanzig Stunden, oder? Was Guðni sagt, klingt zwar ganz einleuchtend, aber das allein reicht wohl kaum
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