Josepsson, Aevar Örn
das Essen meist in Ordnung. Es gab auch das ein oder andere schöne Haus, das einer Besichtigung wert war, und eine passable Kneipe, in der einige fette, glatzköpfige Italiener am Sonntag vor lauter Weltmeisterschaftsbegeisterung Randale gemacht hatten. Sonst war da aber gar nichts, außer Sonne, Sand, Felsen und verkrüppelter Vegetation. Und diese verdammten Touristen überall.
» Good morning «, sagte der Boy am Empfang mit strahlendem Lächeln. » Nice day for the beach, yes ?«
Halt die Klappe, dachte Árni.
» Very nice, yes «, sagte er laut. Er freute sich fast schon auf den zweiten Teil des Sommerurlaubs. Oder doch nicht? Was zum Teufel konnte man zwei Wochen lang in Húsavík machen?
»Grüß dich, Kumpel«, rief ihm ein stämmiger Mann Mitte fünfzig zu, als Árni den Frühstücksraum betrat. »Schon auf den Beinen, was? Und wo ist denn die Traumprinzessin, wohl immer noch im Land der Träume, hahaha … Du willst wohl schon an den Strand?«
Húsavík, dachte Árni. Was für ein verdammt attraktives Örtchen.
Er hatte sich gerade ein Brötchen geschmiert, als der Boy von der Rezeption in den Saal stürmte und vor seinem Tisch Halt machte.
» Mister Eisteinsson ?«
Árni blickte hoch. » Yes ?«
» Telephone for you, Mister Eisteinsson .«
*
Ansichten, dachte Meister Magnús und schaltete das Radio aus. Nicht zu fassen, was für großartige Ansichten die Menschen über alle möglichen Dinge haben. Die Mittagsnachrichten hatten wieder einmal deutlich gezeigt, dass es jede Menge Leute gab, die Ansichten zu diesem und jenem hatten. Konnte man das vielleicht in einer Predigt thematisieren?
Magnús hatte ganz entgegen seiner Gewohnheit erhebliche Probleme, etwas zu finden, worüber er predigen konnte. Weltliche Verstrickungen lasteten auf ihm wie nie zuvor. Er kratzte sich am Kopf, was die grauen Zellen zu aktivieren schien. Er schlug den zweiten Korintherbrief auf und fand das, was er suchte:
Ich selbst aber, Paulus, ermahne euch bei der Sanftmut und Güte Christi …
Der Apostel sprach da zwar ganz profan über Erkenntnisse, aber war Erkenntnis nicht einfach ein anderes Wort für Ansicht? Ansichten und Meinungen waren die Wurzeln allen Übels. Er notierte sich das. Die Leute hatten derartig viele Ansichten, dass sie nicht länger die Wahrheit erkennen konnten, dachte er, die Wahrheit, die in Gottes Wort allen zugänglich ist. Ansichten können sich ändern, und sie ändern sich auch ständig, im Gegensatz zu Gottes Wort, das stets in sich ruht und in Ewigkeit unerschütterlich ist.
»Das klingt gut«, murmelte er vor sich hin und atmete auf. Er las weiter.
Wir leben in einem anderen Reich, wo andere Gesetze gelten …
Magnús lächelte. »Das ist wunderbar«, stimmte er sich selbst und Paulus zu, »und unerhört wahr.«
Die Heilige Schrift versagte nie. Er nahm sich vor, seinen Bruder anzurufen und ihm das einzuschärfen, falls er nicht zur Versammlung erschien. Das würde den Jungen beruhigen.
*
»Ich habe heute Morgen mit Árni telefoniert«, sagte Stefán und gähnte fürchterlich, obwohl es erst kurz nach Mittag war. »Er nimmt die nächste Maschine nach London und von da aus nach Island. Er wird wahrscheinlich morgen Nachmittag eintreffen, oder spätestens am Dienstag.«
Katrín zog die Augenbrauen hoch. »Weshalb?«
»Weil wir trotz aller schönen Versprechungen der letzten zwei Jahre immer noch nicht den fünften Mann bekommen haben«, entgegnete Stefán, »und weil Guðni da ist, wo er ist. Und das bedeutet, dass nur wir beide übrig sind, und das ist einfach nicht genug.«
»Aber es liegt doch alles ganz …«
»… klar auf der Hand, ja, ja, ich weiß«, führte Stefán ihren Satz zu Ende. »Im Augenblick sieht es jedenfalls so aus. Aber es fehlen in sämtlichen Abteilungen Leute, deswegen kann ich dieser Tage nirgends jemanden abziehen, und zwar genau deswegen, weil anscheinend alles so klar auf der Hand liegt. Wenn der Mord gerade erst passiert wäre und niemand etwas wüsste, würde man selbstverständlich mehr Leute bekommen.« Stefán lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück und faltete die Hände. »Aber der Mann ist verschwunden, und wir müssen ihn finden«, fuhr er fort, »und außerdem fällt dabei jede Menge Papierkram an. Und wir wissen auch gar nicht, ob uns nicht weitere Fälle auf den Tisch flattern, angeblich ist zwar Hochsommer, aber es hat nicht den Anschein, als würden die Ganoven Urlaub machen.« Er schnaubte verächtlich. »Sommer, pah. Aber wie
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