Josepsson, Aevar Örn
mir relativ sicher. Aber …« Sie biss sich auf die Unterlippe und nagte eine Weile daran herum, bevor sie fortfuhr. »Aber sie hatte sich einige Male offiziell bei der Polizei über ihn beschwert, weil er sie ständig belästigte. Und sie sagte, dass er genau am Ostermontag im vergangenen Jahr zuletzt angerufen hat. Sie konnte sich gut daran erinnern, angeblich war es kurz bevor ihre Kinder mit Anhang zum Essen kamen. Also Hólmfríður mit ihren Kindern und Bárður mit Ragnar. Dieselbe Leier wie gewöhnlich, sagte sie, er hatte abwechselnd mit dem Höllenfeuer gedroht oder das Himmelreich in Aussicht gestellt. Für ihn waren sie wohl vor Gottes Angesicht immer noch verheiratet, irdische Papiere hatten da wohl keine Gültigkeit. Um sich die Zukunft im Himmel zu sichern, brauchte sie nur wieder mit ihm zusammenzuziehen, der WAHRHEIT beizutreten und den Segen des Meisters zu erhalten. Würde sie aber weiter mit Viðar herumhuren, befände sie sich auf dem schnurgeraden Weg zur Hölle. Wer weiß, vielleicht war dieser letzte Anruf der Tropfen, der das Maß vollgemacht hat. Es sind schon Menschen aus geringerem Anlass umgebracht worden.«
»Dasselbe gilt natürlich auch für diesen Viðar«, sagte Árni nachdenklich. »Das kann auch für ihn das Korn gewesen sein, das das Fass zum Überlaufen gebracht hat, nicht wahr?«
Katrín nickte zustimmend. »Ja, genauso gut. Das Korn?«
Árni wehrte ab. »Oder der Tropfen. Spielt keine Rolle. Du hast ihnen keine Fingerabdrücke abgenommen?«
»Nein«, gab Katrín zu, »ich fand, dass es keine Veranlassung dazu gab. Von Bárður und Hólmfríður habe ich Fingerabdrücke zum Vergleich genommen, weil sie beide in der Wohnung ihres Vaters gewesen waren, Bárður sogar noch am letzten Freitag. Ragnar ist angeblich jahrelang nicht dort gewesen, und Sigurlaug und Viðar haben behauptet, diese Wohnung nie betreten zu haben, also habe ich nicht …«
»Und du hast ihnen geglaubt?«
»Wie gesagt, ich sah keinen Grund, weshalb ich das nicht tun sollte. Den sehe ich auch immer noch nicht, aber bei Bedarf können wir es natürlich nachholen. Im Übrigen hätten Sigurlaug und Viðar uns gar nichts von diesem letzten Anruf zu erzählen brauchen. Weshalb uns das sagen, wenn sie tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun hatten? Es musste doch die Aufmerksamkeit eher auf sie lenken.« Katrín wickelte einen Finger um eine rote Locke, oder umgekehrt, und blickte auf ihre Knie, ohne sie zu sehen.
Árni sah sie jedoch nur allzu gut. Er stand auf. »Okay«, sagte er. »Rotwein? Bier? Kaffee?«
»Nein danke, aber ein Glas Wasser vielleicht.«
Árni brachte ihr das Wasser und öffnete eine Bierdose für sich. Ein Bier würde doch wohl in Ordnung sein. »Dann bleibt nur noch einer«, sagte er und zündete sich eine Zigarette an. »Oder zwei. Lalli Fett und Ási Stero.« Er fand solche Spitznamen für notorische Kriminelle albern, hatte sich aber mit der Zeit daran gewöhnt, sie zu verwenden, ohne es peinlich zu finden. Letzten Endes wurden diese Männer an seinem Arbeitsplatz nie anders genannt, es sei denn in offiziellen Berichten.
»Oder drei«, korrigierte Katrín. »Du vergisst Meister Magnús.«
Árni verschluckte sich beinahe an seinem Bier. »Meister Magnús«, stöhnte er. »Pah, dieser verdammte Idiot. Wie jemand an so etwas glauben kann …« Er zögerte und sah Katrín unsicher an.
»Mach ruhig weiter«, sagte sie, »an was glauben kann?«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts«, murmelte er. Dann fasste er sich ein Herz. »Glaubst du an Gott?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, erklärte Katrín geradeheraus. Árni sah sie ungläubig an.
»Was meinst du damit? Entweder glaubst du, oder …«
»Nein«, sagte Katrín und lächelte verhalten. »So einfach ist das nicht. Jedenfalls nicht für mich. Da ist etwas …« Sie verstummte, und Árni traute sich nicht, etwas zu sagen.
»Und du?«, fragte sie dann. »Du glaubst wohl nicht an Gott?«
»Was für einen Gott?«, entfuhr es Árni unwillkürlich. »Den, der die Welt vor sechstausend Jahren erschaffen hat? Der aus dreien besteht und trotzdem einer ist? Allmächtig soll er sein, aber trotzdem musste er vor zweitausend Jahren irgendeine Frau schwängern, um auf die Erde zu kommen. Und da hat er dreißig Jahre und mehr herumgehangen und sich kreuzigen lassen, und das nur, um wieder zum Himmel fliegen zu können und sich zu seinen eigenen Füßen niederzulassen, damit die Menschen sich einreden können, dass ihnen ein ewiges Leben in
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