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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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Stein«, führte ihr Bruder den Satz zu Ende und richtete sich wieder auf. »Du bist eine Heilige, Schwesterchen. Ein richtiger Schatz, auch wenn du mir jetzt auf einmal mit Bibelzitaten kommst.«
    Hólmfríður konnte sich kein Lächeln abringen. »Vergeben kann man leicht«, sagte sie ernst, »vor allem Menschen, die man liebt. Und wenn die Sünden nicht schwerwiegender sind als das. Aber …« Sie verstummte und sah ihren Bruder forschend an.
    »Aber was?«, fragte er.
    »Aber was ist, wenn die Sünde größer ist?«, fragte sie zögernd. »Viel größer? Egal wie lieb man diesen Menschen hat, egal ob man selber einiges auf dem Gewissen hat – egal ob man versteht oder zu verstehen glaubt, was dazu geführt hat, dass die betreffende Person diese große Sünde begangen hat, muss man nicht trotzdem diesen verdammten Stein werfen, wenn die Sünde so groß ist, dass man einfach … einfach …« Sie kapitulierte, setzte sich ihrem Bruder gegenüber an den Tisch und ließ den Kopf auf die Arme sinken. »So groß, dass sie alle die Sünden, die man selber begangen hat, in den Schatten stellt und man einfach nicht mehr weiß, was man anderes tun kann, als die verdammten Steine zu schleudern?«
    »Wovon in aller Welt redest du eigentlich?«, fragte Bárður vorsichtig. »Ich hab dich noch nie im Leben so reden gehört, was ist los, Hólmfríður?«
    »Kein Wunder, dass du fragst«, antwortete sie nach schier endlosem Schweigen. »Ungefähr das Gleiche frage ich mich nämlich auch schon die ganze Zeit, seitdem ich heute in Krummahólar war. Ich frage mich, wieso ich mir so etwas Verrücktes einbilden kann. Aber ich kann nichts dafür. Genau wie du geglaubt hast, dass ich Papa bestohlen hätte …«
    »He, das hab ich doch gar nicht geglaubt«, warf Bárður dazwischen, »ich hab nur …«
    »Genau wie du geglaubt hast, ich hätte Papa bestohlen«, wiederholte Hólmfríður, »so kann ich einfach nichts dafür, dass ich die ganze Zeit überlege, ob es wirklich sein kann. Und was ich machen soll.«
    Bárður schüttelte den Kopf. » Lost me again «, sagte er. » Sorry, sis , aber ich begreife einfach nicht, worauf du …«
    »Erinnerst du dich an das Abendessen bei Mama letztes Jahr zu Ostern? Am Ostermontag?«
    »Ja natürlich, was ist …«
    »Erinnerst du dich nicht, die Kinder waren schon vom Tisch aufgestanden, um sich ein Video anzusehen, und wir anderen blieben noch sitzen, und dann hast du von deinem Besuch bei Papa erzählt? Weißt du noch, was Mama da gesagt hat?«
    »Nein, ich … Hat sie etwas Besonderes gesagt?«
    »Nein. Sie hat nichts gesagt, überhaupt nichts, das war ja das Komische. Viðar hat irgendetwas dahergeschwätzt über einen Anruf, den sie tagsüber bekommen hatten, aber sie hat gar nichts gesagt. Fandest du das nicht seltsam? Ich weiß jedenfalls noch, dass ich das seltsam fand, denn sie hat normalerweise nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg gehalten, wenn wir ihr von Vaters neuesten Gemeinheiten erzählt haben. Aber du erinnerst dich vielleicht, was sie am vergangenen Freitag gesagt hat, als wir drei da zusammen auf dem Sofa saßen und glaubten, dass wir trauerten, weil der Alte tot war?«
    Bárður sah seine Schwester verstört an. »Ehrlich gesagt verstehe ich nicht die Bohne. Im Ernst, du benimmst dich so seltsam, du redest so seltsames Zeug. Was …«
    »Sie sagte, wir dürften nicht vergessen, dass Papa zwar nicht durch und durch schlecht, aber trotzdem ein mieser Kerl gewesen sei oder so etwas, und uns von seinem Lazy Boy aus Vorschriften gemacht hat, wie wir unser Leben zu leben hätten. Erinnerst du dich daran?«
    Bárður sah sie mit großen Augen an. »Und?«, fragte er.
    »Mama hat immer behauptet, und das hat sie auch der Kriminalbeamtin gesagt, die da abends noch kam, dass sie Papa nie besucht hat, nachdem er ausgezogen war. Dass sie nie die Wohnung in Krummahólar betreten hat. Wieso konnte sie dann wissen, dass er einen Lazy Boy besaß? Sag mir das, Bárður, wie konnte Mama das wissen? Hast du es ihr vielleicht gesagt? Also für mich gab es keinen Grund, mit ihr über die Einrichtung bei Papa zu reden, aber was ist mit dir?« Bárður schüttelte verneinend den Kopf. »Nein, das habe ich auch nicht geglaubt«, fuhr Hólmfríður fort. »Ich habe den Sessel zum ersten Mal an Ostern bei ihm gesehen und habe ihn sogar gefragt, ob er neu sei. Das war er. Papa muss ihn also irgendwann zwischen Weihnachten und Ostern gekauft haben. Jetzt überleg mal ein bisschen, ob du womöglich

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