Josh Maxwell 02
weltoffen, eine Metropole der Superlative, in die Tycoons aus aller Welt zu investieren bereit waren. Im Grunde genommen hatte er Okada schon in der Tasche. Er brauchte keine Unterstützung, von niemandem.
Bis zum Termin mit seinem Onkel hoffte er noch, ihn umstimmen zu können. Aber weniger als eine Minute nach zehn Uhr war ihm klar, dass die Entscheidung nicht zur Debatte stand.
»Ich möchte, dass du ihre Akte studierst, Josh, und sie in kürzester Zeit einarbeitest! Ich habe so ein Profil noch nie gesehen. Ich habe die Lady Sumitomo abgeworben, stell dir vor. Sie ist gebürtige Engländerin, spricht aber fließend Französisch, Russisch und, du hast es sicher schon geahnt, Japanisch! Wir können uns verdammt glücklich schätzen, dass sie angebissen hat.«
Josh zog die Brauen zu einem skeptischen Blick zusammen. »Es geht dir nur um den Okada Deal, oder? Du hast nicht vor, mich zukünftig im Zweierteam agieren zu lassen? Falls doch, haben wir ein Problem.«
Auf einmal fühlte er sich so beengt, dass er seine Krawatte lockern musste.
Sein Onkel kam hinter seinem Schreibtisch hervor und klopfte ihm auf die Schulter. »Hey, hör mal. Du wirst natürlich die Fäden in der Hand behalten, mein Junge, keine Sorge. Also, sieh es einfach als eine praktische Entlastung, dass noch jemand mit dir mitrudert, in Ordnung?«
»Na, hoffentlich hat sie genug Kondition«, sagte Josh resigniert.
Alistair lachte. »Da mach dir mal keine Gedanken.« Er nahm eine Mappe von seinem Schreibtisch und drückte sie seinem Neffen gegen die Brust. »Hier, nimm die mit. Du hast bis Morgen Abend Zeit, dir ein Bild von ihr zu machen.«
Wortlos verließ Josh das Büro seines Onkels.
Annabelle begegnete ihm auf dem Flur mit einem sorgenvollen Blick. »Alles okay, Josh?«
Er nickte, allerdings nicht ohne zu registrieren, wie gut sie in letzter Zeit aussah. Annabelle war eine kleine Blondine mit einer grazilen Figur und einem klassisch schönen Gesicht. Aber Annabelle war auch absolut tabu, ein »No-Go«, »Restricted Area« sozusagen, genau wie alle anderen weiblichen Wesen, die für Maxwell Enterprises arbeiteten. Auch wenn Josh es heute ganz besonders bedauerte, eins seiner rigorosesten Prinzipien nicht einfach über Bord werfen zu können, schlug er sich die erotischen Bilder von ihr aus dem Kopf und gab sich selber eine mentale Ohrfeige. Um seine innere Anspannung und Wut, die sein Onkel zu verantworten hatte, loswerden zu können, würde er sich anderweitig umsehen müssen.
Als er wieder an seinem Schreibtisch saß, schob er die Mappe mit den Infos über die neue Kollegin in die Schublade und stöhnte. Nachdem er sich von Annabelle einen frischen Kaffee servieren ließ, rief er die Power-Point-Präsentation auf, die Okada von den Socken hauen sollte.
Okay, sie war bei weitem noch nicht perfekt. Es fehlten einige Statistiken und Diagramme. Manche Stellen waren zu viel Text. Er durfte Okada auf keinen Fall mit belanglosen Nebensächlichkeiten langweilen.
Aber Josh hatte noch drei Wochen.
Mehr als genug Zeit, um den Feinschliff zu machen. Und dennoch war es ratsam, jede Minute gut zu nutzen.
Also blieb er länger als sonst im Büro.
Annabelle steckte irgendwann gegen 20 Uhr den Kopf durch die Tür. »Wenn du nichts weiter von mir willst, würde ich jetzt nach Hause gehen, Josh.«
Ihr Lächeln war überaus reizvoll.
Bildete er es sich ein, oder stellten ihre dunkelblauen Augen eine ganz andere Frage? Und lautete diese Frage womöglich: »Du siehst heute so angespannt aus, Josh, möchtest du, dass ich dich massiere und dir anschließend einen blase?«
Josh schüttelte sich aus der plötzlichen Fantasie, die ihn übermannt hatte. »Nein, danke. Du kannst ruhig Schluss machen, Belle, ich mach auch nicht mehr lang«, sagte er und schaffte es, dabei ganz unbedarft auszusehen.
»Okay, dann gute Nacht, Josh«, rief sie und zog die Tür hinter sich zu.
Er hatte die Bewerbermappe mit nach Hause genommen. Nachdem er in ein paar bequeme Jeans gestiegen und Hemd und Krawatte gegen ein sportliches Tank-Top ausgetauscht hatte, setzte er sich mit einem Drink auf die Terrasse.
Hoffentlich ist sie keine karrieregeile Zicke mit Männerphobie , dachte sich Josh, bevor er die Mappe aufschlug.
Gleich auf der ersten Seite sprang ihm ihr Foto entgegen. Eine Brünette mit einem herzförmigen Gesicht. Zum Sterben schön.
Er stockte innerlich.
Dieses unerbittlich attraktive Gesicht kam ihm sofort bekannt vor, aber irgendetwas in den dunklen
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