Joshua Fantasio & Kalitos Legende und der schwarze Zeitmesser (German Edition)
dass er die eigene Hand vor Augen nicht sehen konnte. Angsterfüllt umklammerte er seinen braunen Koffer. Er fiel knapp fünf Meter in die Tiefe, bis er plötzlich wieder etwas um sich herum spürte, das seinen Körper durch sanfte Kurven und über kleine Wellen lenkte und steuerte. Er musste in einer Art Rutsche oder Röhre gelandet sein.
Nach einer gefühlten Ewigkeit - in Wirklichkeit waren aber nicht mehr als zwanzig Sekunden vergangen - wurde die Fahrt merklich langsamer und schien nun bergauf zu gehen. Joshua hoffte, dass die rasante Fahrt nun vorbei sein würde und hielt Ausschau nach einer Lichtquelle. Als er jedoch spürte, dass die Bergspitze erreicht war und nicht der kleinste Lichtschimmer auszumachen war, dämmerte ihm allmählich, dass die Fahrt wohl doch noch nicht zu Ende sein würde.
In einem Affenzahn ging es plötzlich wieder bergab, so dass seine lockigen Haare nach hinten wehten. Es folgte eine scharfe Linkskurve. Er wurde durch die Fliehkraft an die äußere Wand gedrückt, kurz darauf wurde es noch steiler und Joshua wurde an die Oberseite der Röhre gepresst. Er wurde hin- und hergeschleudert. Mit einer Hand versuchte er wieder ein Stück Balance zurückzugewinnen, mit der anderen umklammerte er noch immer emsig sein Köfferchen, aber in der nächsten scharfen Biegung entglitt ihm das Gepäckstück aus der Hand. Es rauschte an ihm vorbei und verschwand irgendwo in der Dunkelheit über ihm. Joshua hatte nun beide Hände frei, um sich an den Seiten abzustützen und so ein wenig mehr Gleichgewicht zu erlangen.
Die wilde Achterbahnfahrt ging noch eine ganze Weile weiter; einige Stellen waren sogar beleuchtet: Es waren winzige Lichtpunkte, die in kleinen Ansammlungen in der Röhre schwebten und sich seicht hin- und herbewegten. Joshua musste zwangsläufig an Glühwürmchen denken.
In den erhellten Abschnitten konnte er erkennen, dass er sich in einer durchsichtigen Röhre befand. Das dahinter liegende Erdreich änderte seine Farbe von schwarz bis hellbraun, und manchmal sah er bleiche Wurzeln, die die Röhre klauenartig umschlangen.
Joshua war schon ganz schwindelig geworden. Sein Koffer musste irgendwo über ihm sein, seine Beine und Arme schmerzten vor Prellungen und sein Kopf dröhnte. Dann erblickte er eine helle Lichtquelle vor sich! Sie kam schnell näher, aber das letzte Stück ging wieder leicht bergauf, so dass sich seine Geschwindigkeit verlangsamte. Vor ihm offenbarte sich eine runde, grelle Öffnung. Nach der langen Dunkelheit blendete ihn das Licht so sehr, dass er mit zusammengekniffenen Augen den Durchlass passierte und eine Sekunde später auf eine weiche Unterlage plumpste.
„ Fühlt sich an wie ein Wattekissen “, dachte Joshua und öffnete vorsichtig die Augen.
Unter ihm befand sich eine nach oben gewölbte und gelbrot-karierte Gummimatte, die seinen Flug seicht abgefedert hatte. Er musste bei dem Anblick an Hüpfburgen denken und wandte sich um. Hinter ihm befand sich die Röhrenöffnung. Sie war rot-weiß umrandet und mit fremden Buchstaben verziert, aber auch mit einem gut leserlichen, altenglischen Schriftzug: < ACHTUNG PERSONENRUTSCHE! BITTE ABSTAND HALTEN! >. Daneben gab es ein weiteres, kleines, rot umrandetes Loch mit der Überschrift: < REISEGEPÄCKRUTSCHE >.
Plötzlich fiel ihm sein Koffer wieder ein ! Joshua raffte sich schnell auf, doch in jenem Moment sauste das Gepäckstück aus der Röhre, rammte ihn in den Magen und schleuderte ihn über die weiche Gummimatte auf ein hartes Kopfsteinpflaster. Er schnappte keuchend nach Luft und setzte sich mühsam wieder auf.
Während er langsam wieder zu sich kam , klopfte er sich den Dreck von seiner blauen Hose und ließ seinen Blick einmal um sich herum schweifen. Zu seiner Verwunderung befand er sich nicht tief unter der Erde, sondern in einer Stadt auf der Oberfläche der Erde, zumindest trug es den Anschein. Über ihm strahlte ein hellblauer Himmel und um ihn herum standen überall alte Häuser; es waren prächtige Wirtshäuser, schmucke Gasthöfe und barocke Fachwerkhäuser, auch wenn diese dem Anblick nach zu urteilen, etwa einhundert Jahre vor Joshuas Zeit gebaut worden sein dürften. Auf den Bürgersteigen ragten altertümliche Laternen in die Höhe und auf den schmalen Straßen waren tiefe Spurrillen in das schimmernde Kopfsteinpflaster gedrückt. Die Steine waren eisglatt, als ob sie schon seit Jahrhunderten hier liegen würden. Sämtliche Gassen waren menschenleer, nur in der Ferne am Ende einer Straße
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