Joshua Fantasio & Kalitos Legende und der schwarze Zeitmesser (German Edition)
aus der Röhre. Er befand sich nun auf der obersten Stufe eines gemütlichen Kinosaals, in dessen Mitte ein prunkvoller goldener Kronleuchter hing, der allerdings nur so wenig Licht spendete, dass er gerade einmal die Zahlen an den Sitzreihen erkennen konnte.
Auf der Leinwand flimmerte ein bunter Zeichentrickfilm; es war ein Stummfilm und Untertitel gab es auch nicht, so dass das Kino nicht gerade zum längeren Verweilen einlud. Der Saal war restlos leer, bis auf die vierköpfige Familie, die sich ein paar Meter von ihm entfernt in die zweite Reihe gesetzte hatte. In jenem Moment drehte sich die dicke Frau um, wobei der turmartige Dutt auf ihrem Kopf hin und her schaukelte.
„ Ah, da ist ja der mutige Reisende“, sagte sie freudig. „Schön, schön. Jetzt musst du dir nur noch deinen Platz suchen und schon geht’s in dein Reiseviertel.“
Ihre beiden kleinen Töchter lächelten verlegen.
„Haben sie vielen Dank“, antwortete Joshua.
„Ach, keine Ursache, ich helfe gerne. Ein Schritt ins Ungewisse ist nur mit Mut zu meistern und manchmal genügt es schon, wenn man nur ein wenig angeschubst wird.“
Joshua nickte dankend und ging dann behutsam die Treppe hinunter.
„Gute Reise!“, rief der blonde Junge ihm hinterher. „Vielleicht sieht man sich mal wieder.“
Joshua drehte sich noch einmal um, aber die Familie war plötzlich verschwunden, als hätte sie sich einfach in Luft aufgelöst! Er wunderte sich in Anbetracht der ganzen sonderbaren Dinge allerdings nicht weiter darüber.
Nach einer kleinen Atempause ging er weiter nach unten. Der rote Teppich unter seinen Füßen war ganz verblichen und die Goldfransen an den Seiten waren alle abgeknickt oder hatten sich aufgekräuselt. Joshua überschlug im Kopf, dass das Kino um die fünfundzwanzig Sitzreihen mit je zwanzig Plätzen haben musste. Vor der siebten Reihe blieb er stehen.
„G - Z ehn, hier ist es“, murmelte er leise vor sich hin. Schlurfend zog er seinen braunen Koffer durch die enge Sitzreihe, bis er an seinem Platz angelangt war. Eine goldene Zehn war in das rote Sitzpolster eingenäht und die flauschigen Armlehnen waren an ihren Enden schneckenartig gekringelt.
Joshua prüfte das Sitzpolster mit einem kräftigen Händedruck. Es war sehr weich und Sprungfedern spürte er auch keine.
„Was soll’s“, sagte er sich und ließ sich in den gemütlichen Sessel fallen. Er wippte auf dem weichen Polster sanft auf und ab, aber sonst passierte nichts. Er ließ seinen Blick umherschweifen, und als er seinen braunen Koffer erreichte, fielen ihm plötzlich die Worte des Mülleimerclowns wieder ein: < Bitte denken Sie daran, einen zweiten Platz für das Reisegepäck zu reservieren. Ich wünsche Ihnen nun einen angenehmen Aufenthalt, guten Tag >.
„Oh , so ein Mist, das habe ich völlig vergessen“, flüsterte er zu sich selbst und warf sich den Koffer auf seinen Schoß. Er hoffte, dass trotzdem alles gut ging, obwohl er ja gar nicht wusste, was eigentlich gleich passieren würde - und ob überhaupt etwas passieren würde! Er wusste ja nicht einmal, was Skryyfall eigentlich war. Er nahm an, dass es sich um eine kleine Stadt handelte, aber nach all den merkwürdigen Dingen würde ihn wahrscheinlich etwas vollkommen Anderes erwarten. Vielleicht würde er ja auch seine Mutter wiedersehen, dachte er sich, obwohl sein Verstand das für eher unwahrscheinlich hielt; aber diesen kleinen Hoffnungsschimmer behielt er trotzdem in seinem Herzen. Mit diesem schönen Gedanken lehnte er sich zurück in das flauschige Polster und genoss den bunten Film vor sich.
Auf der Leinwand segelte ein großer Dreimaster dem hellblauen Horizont entgegen. Das Schiff sah auf dem riesigen Karibikmeer ein wenig verloren aus, aber der junge Kapitän schien ein Ziel zu haben. Die Karte vor ihm zeigte eine kleine Insel in der Form eines Totenkopfes. Seine drei bunt durcheinander gewürfelten Crewmitglieder sonnten sich auf dem Oberdeck, und gesteuert wurde das Schiff von einer Horde wilder Affen…
Plötzlich knarrte etwas unter Joshuas Füßen . Eine halbe Sekunde später klappte sein Sitz nach unten weg und er wurde mitsamt seines Koffers in die Tiefe gerissen! Dann wurde es dunkel und er sah nichts mehr.
Kapitel 7
Londons vergessener Stadtteil
J oshua schnappte nach Luft. Der freie Fall war so urplötzlich gekommen, dass er nicht einmal mehr die Gelegenheit hatte, vorher einmal tief durchzuatmen. Um ihn herum war die schwärzeste Dunkelheit, so
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