Joshua Schreck: Fischer. Nur für Jungs (German Edition)
hörte, hatte sie sich weiter verändert. Die Grundinfo stimmte zwar noch – die verbogenen Spindtüren, die im Gang verstreuten Bücher und Unterlagen –, aber Etliches war dazugedichtet worden. Zu Beginn der siebten Stunde kochte die Gerüchteküche endgültig über.
»Sie hingen verkehrt herum in der Luft und trugen ihre Unterhose als Mütze«, behauptete Milton.
Er konnte seine Begeisterung kaum verbergen. Wir saßen an unserem gewohnten Platz hinten in der Klasse.
»Alle Spinde auf dem Gang sind total kaputt«, fuhr Milton fort. »Und gebrannt hat es auch. Total verrückt. Und weißt du, was das Beste war?«
»Was?«, fragte ich und versuchte, nicht allzu skeptisch zu klingen.
»Joey hat nach seiner Mama geschrien!« Milton platzte fast vor Lachen.
Alle waren begeistert, dass jemand die zwei fiesesten Typen der Schule zusammengedroschen und so richtig gedemütigt hatte. Doch wie sehr ich die zwei auch hasste, die allgemeine Begeisterung konnte ich nicht teilen. Ich musste unbedingt wissen, wer das getan hatte.
Und offenbar war ich nicht der Einzige.
»Was glaubst du , wer das war?«, fragte Milton Sophie, sobald sie in die Klasse kam.
Sie rutschte auf ihrem Platz herum. »Keine Ahnung. Vielleicht war’s ja bloß irgendein seltsamer Unfall.«
»Niemals! Das muss jemand aus der Schule gewesen sein. Und ich will rausfinden, wer !«
»Übrigens«, sagte Sophie, und es klang, als ob sie schnell das Thema wechseln wollte. »Wann habt ihr eigentlich vor, mit unserem Projekt anzufangen, Jungs? Nächste Woche müssen wir’s präsentieren. Ich hab gedacht, wir treffen uns vielleicht morgen.«
»Hey, wieso gehen wir nicht in den Spuckschlecht«, sagte Milton. »Wär doch super!«
Der Spuckschlecht war ein Lokal nicht weit von unserer Schule. Es war ein ziemlich schrottiger Laden. Aber man bekam dort so viele Fritten – spiralförmige –, wie man wollte, weshalb es eindeutig Miltons Lieblingsrestaurant war.
»Hat da nicht mal jemand einen abgeschnittenen Daumen in seinem Omelett gefunden?«, fragte Sophie.
»Nur die Spitze «, erklärte Milton. »Keine große Sache. Sie haben dem Typen das Omelett nicht mal in Rechnung gestellt. Ich weiß überhaupt nicht, wieso der sich beklagt.«
Sophie zuckte die Schultern. »Klingt gut. Was meinst du, Joshua?«
Ihre Stimme schien vom anderen Ende eines Tunnels zu kommen. Meine Aufmerksamkeit war von etwas völlig anderem gebannt. Von etwas, das ich gerade erst bemerkt hatte. Sophies Ärmel hatte einen ausgefransten Riss. Es sah so aus, als ob sie mit ihrem Shirt an einem Nagel hängen geblieben wäre. Oder an einem großen Stück Blech.
Plötzlich fügte sich eins zum andern. Dass ich sie am Morgen kurz gesehen hatte. Und der zerrissene Ärmel. Sie war es gewesen, die Joey und Ziegelstein zusammengeschlagen hatte. Aber wie? Die Einzigen, die solch eine Zerstörung anrichten konnten, waren Leute wie meine Eltern oder Captain Saubermann. Leute mit Superkräften. Hieß das, Sophie war … BEGNADET?
In meinem Kopf blitzte Neugier auf. Konnte das wirklich sein? Und wenn ja, was war das für eine Superkraft, die sie besaß?
Die ganze siebte Stunde überlegte ich, ob ich sie darauf ansprechen sollte. Wenn es noch ein BEGNADETES Kind in unserer Schule gab, musste ich das unbedingt wissen. Andererseits, so wie sie die beiden übelsten Kerle der Schule krankenhausreif geprügelt hatte, wusste ich nicht, ob es sonderlich klug war, sie mit persönlichen Fragen zu belästigen.
Wie sich zeigte, blieb mir die Entscheidung erspart. Denn als die Stunde zu Ende war, wollte Sophie mit mir reden.
»Hey, Joshua, warte mal eben.«
Sobald sie mich auf dem überfüllten Gang eingeholt hatte, ahnte ich, was jetzt kommen würde. Sophie würde zugeben, dass sie BEGNADET war. Und mich bitten, niemandem zu erzählen, dass sie gemeine Typen zusammenschlug und Schuleigentum zertrümmerte.
Aber das sagte sie nicht. Stattdessen trat Sophie ganz dicht an mich heran, bis ich ihr direkt in die graublauen Augen sehen konnte.
»Ich weiß, dass du BEGNADET bist«, sagte sie.
Der Boden sackte unter mir weg und nahm den Lärm vom Gang gleich mit. So war das nicht geplant gewesen. Ich sollte doch wissen, dass sie BEGNADET war. Nicht andersrum.
»Wie – wie hast du das rausgefunden?«
»Ich hab gesehen, wie du im Unterricht das Handbuch für BEGNADETE Kinder gelesen hast.« Sie zögerte. »Ich … ich hab auch eins.«
Ich biss mir auf die Zähne. Am Ende des Gangs sah ich Joey und
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