Joshua Schreck: Fischer. Nur für Jungs (German Edition)
Ziegelstein auf uns zukommen. Joey trug den einen Arm in einer Schlaufe. Ziegelstein hatte eine ziemliche Beule auf der Stirn. Als die beiden Sophie entdeckten, wurden sie bleich wie Geister. Joey drehte sich um und humpelte in die andere Richtung. Ziegelstein folgte dicht hinter ihm.
»Vielleicht sollten wir irgendwo hingehen, wo wir mehr unter uns sind«, sagte Sophie.
*
Schweigend gingen wir aus der Schule und an der Reihe wartender Busse vorbei, bis wir einen Hügel erreichten, von dem aus man das Football-Feld überblicken konnte.
»Wie lange weißt du schon, dass du BEGNADET bist?«, fragte Sophie.
Ich zögerte. Es war komisch, das mit einer Mitschülerin zu besprechen, aber es hatte ja keinen Sinn, das Ganze zu leugnen. »Seit ein paar Wochen. Und du?«
»Ungefähr ein Jahr. Normalerweise entwickeln Mädchen ihre besonderen Fähigkeiten etwas früher als Jungs.«
»Und schaffst du es, deine Superkraft zu kontrollieren?«
»Mehr oder weniger. Anfangs war ich total ratlos.« Sophie sah über das Football-Feld. »Als es das erste Mal passierte, war ich gerade beim Fußballtraining. Aus Versehen hab ich den Ball in den Minivan von meinem Trainer geknallt.«
»Und das ist deine Superkraft? Falsch zu zielen?«
Ich musste mich bremsen, um nicht laut loszulachen, aber Sophie brachte nicht mal ein Schmunzeln heraus.
»Als der Ball aufprallte, ist der Minivan umgekippt«, sagte sie. »Dann, ein paar Wochen später in der Klavierstunde, hab ich die Tasten etwas zu fest gedrückt und schon ist das ganze Klavier zusammengebrochen.«
Ich machte große Augen. Es schien unmöglich, dass jemand, der so klein wie Sophie war, solch eine Spur der Verwüstung hinterlassen konnte.
»Übermenschliche Stärke«, sagte sie. »So heißt meine besondere Fähigkeit.«
Verglichen mit übermenschlicher Stärke schien meine Superkraft deutlich weniger beeindruckend. Ich dachte an all die Dinge, zu denen sie fähig war – Autos umkippen, die stärksten Fieslinge zusammenschlagen. So etwas Cooles schaffte ich nicht. Nicht mal annähernd. Ich war nichts als eine übergroße Steckdose.
»Ist nicht so toll, wie es klingt«, sagte Sophie. »Hat nämlich auch eine Nebenwirkung.«
»Wie meinst du das?«
So wie Sophie den Blick zu Boden richtete, war klar, dass sie nichts weiter darüber erzählen wollte. Meine Gedanken sprangen zurück zu den Ereignissen am Morgen, als Joey im Gang auf dem Boden lag und vor sich hin murmelte. Ey, so was hab ich noch nie gesehen … , hatte er gewimmert. Wie ’n Mensch hat der Arsch nicht ausgesehen.
»Und du?«, fragte Sophie. »Mit welcher besonderen Fähigkeit bist du BEGNADET?«
»Meine heißt spontane Entflammung«, gab ich zu. »Im Grunde genommen lass ich einfach nur Sachen hochgehen.«
Ich erzählte ihr von den Explosionen, den Brandflecken, den Wochen, in denen ich ständig mit meiner Superkraft herumexperimentiert hatte.
»Kennst du noch andere Kinder wie uns?«, fragte ich sie. »Kinder mit – Superkräften?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht viele. Die meisten BEGNADETEN Kinder haben zu viel Angst, um darüber zu reden. Aber ein paar habe ich über Freunde meines Dads kennengelernt. Er, äh, er ist auch als BEGNADETER aufgewachsen.«
»Dein Dad?«
Sophie seufzte und drückte ihre Schuhe fester ins Gras. »Na, sag schon, was hast du über ihn gehört?«
»Nichts.«
Der Blick, mit dem sie mich ansah, zeigte mir deutlich, dass sie meine Lüge durchschaute.
»Also gut. Ja, ich hab ein paar Dinge gehört«, sagte ich.
»Zum Beispiel?«
Ich wollte nicht, aber schließlich erzählte ich ihr alles, was ich gehört hatte. Von den möbelwagenweise gelieferten leeren Kisten, den unzähligen Fernsehapparaten, den Maschinengewehren, den Foltergeräten …
Ich hatte erwartet, dass sie alles abstreiten oder mit einem Lachen andeuten würde, wie absurd Gerüchte werden konnten. Aber sie zuckte nur mit den Schultern. »Ja, das stimmt alles so ungefähr.«
»Boah. Das heißt … das Ganze ist wahr?«
Sophie nickte. »Mehr oder weniger ja. Bis auf den Teil mit den Foltergeräten. Ich glaube nicht, dass er solche Dinger hat.«
»Du glaubst ?«
Irgendwie war das doch etwas, was man ganz sicher wissen musste. Entweder hatte man Foltergeräte oder eben nicht . Aber auch bei mir zu Hause passierte ja manches, wovon ich nichts wusste. Zum Beispiel die Sache mit dem »die Erde fluten und die Regierung erpressen«. Davon hatte ich ja auch bis zu dem Tag, als meine Eltern es taten, keine
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