Joyland
doch noch auf meine Kosten. Sie gab sich ausgesprochen Mühe, mit langsamen, rhythmischen Bewegungen. Donner grollte, und irgendwann wurde aus dem Seufzen des Regens ein lautes, dumpfes Prasseln – es hatte angefangen zu hageln. Am Schluss drückte sie fest zu, was meinen Orgasmus noch hinauszögerte und mir zusätzliche Freuden bescherte.
»Achte darauf, dass du ordentlich nass wirst, wenn du ins Wohnheim zurückläufst, sonst weiß die ganze Welt, was wir hier unten getrieben haben.« Sie sprang auf. »Dev, ich muss los. Ich muss noch packen.«
»Ich hol dich am Samstag um zwölf Uhr ab. Mein Dad macht sein berühmtes Hühnerragout zu Mittag.«
Wieder sagte sie aber klar doch; eines ihrer Markenzeichen, genauso wie sie sich auf die Zehen stellte, um mich zu küssen. Nur dass sie mich am Freitagabend anrief und mir erklärte, Renee habe ihre Pläne geändert und sie würden zwei Tage früher nach Boston fahren. »Tut mir leid, Dev, aber sie hat das Auto.«
»Du könntest ja auch den Bus nehmen«, sagte ich, wobei ich bereits wusste, dass daraus nichts werden würde.
»Schatz, ich hab's ihr versprochen. Und wir haben Eintrittskarten für Pippin im Imperial. Ein Überraschungsgeschenk von Renees Dad.« Sie hielt einen Moment inne. »Freu dich doch für mich. Du gehst sogar nach North Carolina, und ich freue mich für dich. «
»Okay«, sagte ich. »Ich freu mich.«
»Schon besser.« Sie senkte die Stimme verschwörerisch. »Wenn wir uns wiedersehen, mach ich das wieder gut. Versprochen.«
Das Versprechen hat sie nie gehalten, aber gebrochen hat sie es auch nicht, denn nach unserem Tête-à-Tête in Professor Nakos »Büro« habe ich Wendy Keegan nie wiedergesehen. Nicht einmal zu einem Telefongespräch voller Vorwürfe und Tränen kam es. Davon hatte mir Tom Kennedy (zu dem kommen wir noch) abgeraten, und wahrscheinlich war das auch gut so. Wendy hat einen solchen Anruf vielleicht erwartet, vielleicht hat sie sogar darauf gehofft. Wenn ja, dann wurde sie enttäuscht.
Was ich sehr hoffe. All die Jahre später, und obwohl ich den Fieberwahn jener Zeit längst hinter mir gelassen habe, hoffe ich das immer noch.
Liebe hinterlässt Narben.
*
Die Bücher, von denen ich geträumt habe, all die positiv besprochenen Bestseller, habe ich nie geschrieben, aber ich verdiene als Autor ganz gut und weiß das auch zu schätzen. Nicht viele Menschen haben ein solches Glück. Ich bin die Einkommensleiter kontinuierlich raufgeklettert, und inzwischen arbeite ich bei Commercial Flight, einem Magazin, von dem wahrscheinlich noch nie jemand etwas gehört hat.
Ein Jahr nachdem ich den Chefredakteursposten übernommen hatte, fand ich mich auf dem Campus der UNH wieder. Der Anlass war ein zweitägiges Symposium über die Zukunft von Fachzeitschriften im 21. Jahrhundert. Während einer Pause am zweiten Tag schlenderte ich aus einer Laune heraus rüber zur Hamilton Smith Hall und warf einen Blick unter die Treppe. Die Ankündigungen der Examensarbeiten, die mit Stars gespickten Sitzpläne und die albanischen Aquarelle waren weg, und die Sessel, das Sofa und die Standaschenbecher auch. Aber ganz offensichtlich gab es jemand, der das alles nicht vergessen hatte. An der Unterseite der Treppe, wo früher das Schild gehangen hatte, das kundtat, die Raucherlampe habe immer an zu sein, war mit Klebeband ein Blatt Papier befestigt, auf dem eine einzelne Zeile geschrieben stand, und zwar in so kleiner Schrift, dass ich mich vorbeugen und auf die Zehenspitzen stellen musste, um sie lesen zu können:
Professor Nako unterrichtet jetzt an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei.
Tja, warum nicht?
Verdammte Scheiße, warum nicht?
Und Wendy? Da weiß ich genauso viel wie jeder andere. Klar, ich könnte es mit Google versuchen, dem Orakel des 21. Jahrhunderts, um sie aufzuspüren und herauszufinden, ob sie ihren Traum, eine exklusive kleine Boutique zu eröffnen, je verwirklicht hat. Aber wozu? Vorbei ist vorbei. Und nachdem ich eine Weile in Joyland gearbeitet hatte (nur einen Strandspaziergang von einer Ortschaft namens Heaven's Bay entfernt, das sollten wir nicht vergessen), kam mir mein gebrochenes Herz nicht mehr ganz so wichtig vor. Mike und Annie Ross hatten eine Menge damit zu tun.
*
Mein Dad und ich verspeisten sein berühmtes Hühnerragout letztlich allein, was Timothy Jones wahrscheinlich nur recht war, auch wenn er sich um meinetwillen bemühte, sich das nicht anmerken zu lassen. Von Wendy hielt er ungefähr ebenso viel
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