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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mich zurannte (he, das taten alle), aber was als Nächstes passierte, weiß ich sehr genau, und auch, warum. Sie hatte gerade von ihrem Hotdog abgebissen, und als sie Luft holte, um HOWWWIE zu schreien, geriet ihr das Stück Wurst in den falschen Hals. Hotdogs sind wie dafür gemacht, dass man an ihnen erstickt. Zu ihrem Glück war mir noch genügend von Rozzie Golds Gequatsche im Kopf geblieben, sodass ich sofort reagierte.
    Als die Knie des kleinen Mädchens nachgaben und ihr ekstatischer Gesichtsausdruck sich in nacktes Entsetzen verwandelte, griff ich mir bereits an den Rücken und packte mit meinem Pfotenhandschuh den Reißverschluss. Der Howie-Kopf fiel herunter und blieb an der Seite hängen, und zum Vorschein kam das rote Gesicht und der schweißnasse Haarschopf von Mr. Devin Jones. Das kleine Mädchen ließ ihre Raggedy Ann fallen. Das Käppi rutschte ihr vom Kopf. Sie fasste sich an den Hals.
    »Hallie?«, schrie eine Frau. »Hallie, was ist los?«
    Ein glücklicher Zufall kam zum anderen: Ich wusste nicht nur, was los war, ich wusste auch, was ich tun musste. Im Rückblick lässt sich nur schwer nachvollziehen, wie erstaunlich das war. Immerhin reden wir hier über das Jahr 1973, und Henry Heimlich würde seinen Artikel, der dem Heimlich-Handgriff seinen Namen geben sollte, erst ein ganzes Jahr später publizieren. Trotzdem war es die verbreitetste Methode, um bei drohender Erstickung einzugreifen, und wir hatten sie bei unserem ersten und letzten Einführungslehrgang in der UNH-Mensa gelernt. Unser Lehrer war ein strenger alter Mann gewesen, der sich lange Jahre im Restaurantgewerbe durchgeschlagen hatte und dessen Café pleitegegangen war, nachdem in der Nähe ein McDonald's eröffnet hatte.
    »Denkt immer daran – das klappt nur, wenn ihr richtig fest zudrückt«, erklärte er uns. »Macht euch keine Gedanken, ob ihr jemand die Rippen brecht, wenn er kurz davor ist zu ersticken.«
    Ich sah, wie das Gesicht des Mädchens blau anlief, und dachte nicht im Mindesten an ihre Rippen. Ich legte von hinten die Arme um sie und drückte ihr die linke Pfote unterhalb des Brustbeins auf den Bauch. Dann umschloss ich die linke Pfote mit der rechten und zog beide ruckartig zu mir heran. Ein gelblich verfärbtes Stück Hotdog, das fast fünf Zentimeter lang war, kam aus ihrem Mund geschossen wie ein Korken aus einer Champagnerflasche. Es flog fast anderthalb Meter weit. Und nein, ich habe ihr die Rippen nicht gebrochen. Kinder halten was aus, Gott sei Dank.
    Mir war nicht bewusst, dass ich und Hallie Stansfield – so hieß sie – von einer wachsenden Menge von Männern und Frauen eingekreist, und schon gar nicht, dass wir Dutzende Male fotografiert wurden. Das Bild, das Erin Cook geschossen hat, wurde im Wochenblatt von Heaven's Bay und in einigen größeren Zeitungen abgedruckt, darunter auch in der Star-News aus Wilmington. Irgendwo auf dem Dachboden habe ich in einer Kiste immer noch einen gerahmten Abzug davon. Darauf ist ein kleines Mädchen zu sehen, das in den Armen einer seltsamen Promenadenmischung aus Mensch und Hund liegt, die zwei Köpfe hat, wobei einer davon schief herunterhängt. Das Mädchen streckt die Hände seiner Mutter entgegen, und Erin hat genau in dem Moment auf den Auslöser gedrückt, als Mama vor uns auf die Knie fällt.
    In meiner Erinnerung ist das alles verschwommen, aber ich weiß noch, wie die Mutter das Mädchen an sich drückte und der Vater sagte: Mein Sohn, ich glaube, du hast ihr das Leben gerettet. Und ich sehe noch das Mädchen vor mir, als wäre es erst gestern gewesen – sie schaute mich mit ihren großen blauen Augen an und sagte: »Ach, armer Howie, dein Kopf ist abgefallen.«
    *
    Eine der berühmtesten Schlagzeilen aller Zeiten lautet, wie jeder weiß, MANN BEISST HUND. Damit konnte es die Star-News nicht aufnehmen, aber die Schlagzeile über Erins Fotografie war auch nicht von schlechten Eltern: HUND RETTET MÄDCHEN IN VERGNÜGUNGSPARK.
    Trottel, der ich war, hätte ich den Artikel am liebsten ausgeschnitten und Wendy Keegan geschickt. Vielleicht hätte ich das sogar getan, wenn ich auf dem Bild nicht wie eine halb ersoffene Bisamratte aussehen würde. Meinem Vater habe ich den Artikel allerdings geschickt, und er hat angerufen und mir gesagt, wie stolz er auf mich sei. Am Zittern seiner Stimme konnte ich hören, dass er den Tränen nahe war.
    »Gott hat dafür gesorgt, dass du zur rechten Zeit am rechten Ort warst«, sagte er.
    Vielleicht. Vielleicht war es aber auch

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