Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
das Verdienst von Rozzie Gold alias Madame Fortuna. Vielleicht haben die beiden ja zusammengearbeitet.
    Am nächsten Tag bestellte mich Mr. Easterbrook in sein Büro, einen mit Kiefernholz getäfelten Raum, in dem zahlreiche grellbunte Kirmesplakate und alte Fotografien hingen. Besonders gefiel mir das Bild von einem Mann mit schmuckem Schnurrbart, der neben einem Hau-den-Lukas stand. Er hatte die Ärmel seines weißen Hemdes hochgerollt und stützte sich auf einen Vorschlaghammer, als wäre er ein Spazierstock – ein echter Kerl. Oben auf dem Lukas, neben der Glocke, hing ein Schild. Darauf stand: MEINE DAMEN, KÜSSEN SIE IHN, ER IST EIN GANZER KERL.
    »Sind Sie das?«, fragte ich.
    »Wahrhaftig, das bin ich. Allerdings habe ich den Lukas nur für eine Saison betrieben. Das war nicht nach meinem Geschmack. Ich konnte es nie leiden, Leute übers Ohr zu hauen. Wenn ich spiele, dann ehrlich. Setzen Sie sich, Jonesy. Möchten Sie eine Coke oder sonst was?«
    »Nein, Sir. Vielen Dank.« In meinem Bauch schwappte noch der Milchshake herum, den ich an dem Morgen getrunken hatte.
    »Ich will vollkommen ehrlich sein. Sie haben gestern Nachmittag für Publicity gesorgt, die diesem Park gut und gern zwanzigtausend Dollar einbringt, und trotzdem kann ich es mir nicht leisten, Ihnen eine Prämie zu zahlen. Wenn Sie wüssten … aber lassen wir das.« Er beugte sich vor. »Eine Sache steht jedoch außer Frage: Ich schulde Ihnen einen Gefallen. Sie müssen mich nur darum bitten, und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Haben wir uns verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    »Gut. Und wären Sie bereit, noch einmal zusammen mit dem kleinen Mädchen aufzutreten – als Howie? Ihre Eltern möchten Ihnen unter vier Augen danken, aber ein öffentlicher Auftritt wäre für Joyland wirklich großartig. Natürlich liegt die Entscheidung ganz bei Ihnen.«
    »Wann?«
    »Am Samstag, nach der Mittagsparade. Wir würden an der Kreuzung Joyland Avenue und Hound Dog Way ein Podium aufstellen. Und die Presse einladen.«
    »Okay, gern«, sagte ich. Mir gefiel die Vorstellung, noch einmal in der Zeitung zu stehen, das gebe ich offen zu. Mein Ego und mein Selbstbild hatten in jenem Sommer einiges wegstecken müssen, und wenn sich eine Gelegenheit bot, dem gegenzusteuern, griff ich nur zu gern zu.
    Easterbrook erhob sich, wie immer äußerst langsam und vorsichtig, und reichte mir die Hand. »Nochmals vielen Dank. Im Namen des kleinen Mädchens, aber auch im Namen von Joyland. Die verdammten Buchhalter, die bestimmen, was ich tun und lassen kann, werden darüber sehr glücklich sein.«
    *
    Als ich das Büro verließ, das zusammen mit den anderen Verwaltungsgebäuden im sogenannten Hinterhof gelegen war, wartete bereits mein ganzes Team. Sogar Paps Allen war gekommen. Erin, in ihrem grünen Hollywood-Girl-Kleidchen allerliebst herausgeputzt, trat mit einem Lorbeerkranz vor, der aus Suppendosen gebastelt war, und ließ sich auf ein Knie sinken. »Für dich, mein Held.«
    Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich bei dem Sonnenbrand, den ich hatte, nicht mehr rot anlaufen konnte, aber ich irrte mich. »Herrje, steh auf!«
    »O Retter kleiner Mädchen«, sagte Tom Kennedy. »Ganz zu schweigen davon, dass du unserem Arbeitgeber den Arsch gerettet hast, sonst wäre er nämlich bestimmt verklagt worden und hätte dichtmachen müssen.«
    Erin sprang auf, setzte mir die alberne Suppendosenkrone auf den Kopf und gab mir einen dicken Schmatzer. Das ganze Team klatschte Beifall und johlte.
    »Okay«, sagte Paps schließlich. »Wir sind uns alle einig, dass du als Retter in der Not 'n toller Hecht bist. Allerdings bist du nicht der erste Grünschnabel, der einem Tölpel das Leben rettet. Können wir jetzt vielleicht wieder was arbeiten?«
    Das war mir nur recht. Berühmt zu sein war zwar nett, aber die ironische Botschaft des Blechlorbeerkranzes – bilde dir bloß nicht zu viel darauf ein – kam durchaus bei mir an.
    *
    An jenem Samstag auf dem provisorischen Podium mitten im Park trug ich natürlich das Fell. Es machte Spaß, Hallie in die Arme zu nehmen, und sie ließ sich das nur allzu gern gefallen. Ich würde mal schätzen, dass ungefähr zehn Kilometer Film abgefackelt wurden, während sie ihrem Lieblingshund erklärte, wie sehr sie ihn liebe, und ihn für die Kameras wiederholt abküsste.
    Anfangs stand Erin noch in der ersten Reihe, aber die Zeitungsfotografen waren größer und alles Männer. Schon bald wurde sie in die zweite Reihe abgedrängt. Und was

Weitere Kostenlose Bücher