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Joyland

Titel: Joyland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bezugspunkt –, dass ich unmöglich genau bestimmen kann, wann sie mir das erste Mal aufgefallen sind. Nichts bringt Erinnerungen so sehr durcheinander wie fortwährende Wiederholung.
    Zehn Jahre nach den Ereignissen, die ich hier erzähle, arbeitete ich (zur Strafe für meine Sünden vielleicht) als Journalist bei der Zeitschrift Cleveland. Meine ersten Entwürfe verfasste ich meistens auf einem Notizblock in einem Café an der West Third Street in der Nähe des Lakefront-Stadions, den damaligen Jagdgründen der Indians. Jeden Tag um zehn Uhr kam eine junge Frau herein, bestellte vier oder fünf Becher Kaffee und nahm sie mit in das Maklerbüro nebenan. Wann sie mir das erste Mal aufgefallen ist, weiß ich ebenfalls nicht mehr. Ich weiß nur, dass sie mir aufgefallen ist und dass sie hin und wieder in meine Richtung schaute, wenn sie hinausging. Eines Tages erwiderte ich ihren Blick, und weil sie lächelte, lächelte ich auch. Acht Monate später waren wir verheiratet.
    Bei Annie und Mike war es genauso; eines Tages wurden sie ein fester Bestandteil meiner Welt. Ich winkte jedes Mal, wenn ich bei ihnen vorbeikam, und der Junge in dem Rollstuhl winkte jedes Mal zurück; der Hund saß mit gespitzten Ohren da, während der Wind ihm das Fell zauste, und ließ mich nicht aus den Augen. Die Frau war blond und wunderschön – hohe Wangenknochen, tief liegende blaue Augen und volle Lippen. Der Junge in dem Rollstuhl trug eine Baseballkappe mit dem Schriftzug der White Sox, die er sich bis über die Ohren gezogen hatte. Er sah sehr, sehr krank aus. Seinem Lächeln tat das jedoch keinen Abbruch. Ob ich kam oder ging, er strahlte jedes Mal übers ganze Gesicht. Ein-, zweimal hob er sogar die Hand und machte das Friedenszeichen, und ich erwiderte die Geste. Für ihn war ich ein ebenso vertrauter Anblick geworden wie er für mich. Sogar Milo, der Jack-Russell-Terrier, gewöhnte sich mit der Zeit irgendwie an mich. Nur die Mutter hielt sich bedeckt. Wenn ich vorbeischlenderte, sah sie oft nicht einmal von ihrem Buch auf. Und wenn doch, winkte sie nie, und sie machte ganz bestimmt nicht das Friedenszeichen.
    *
    In Joyland gab es mehr als genug zu tun, und auch wenn die Arbeit nicht so vielseitig und interessant war wie im Sommer, so war sie doch geregelter und weniger anstrengend. Ich bekam sogar die Gelegenheit, noch einmal in meine preisgekrönte Rolle als Howie zu schlüpfen und im Wiggle-Waggle Village ein paarmal »Happy Birthday to You« zu singen. Während der ersten drei Wochenenden im September hatte der Park geöffnet, wenngleich die Besucherzahlen nicht sonderlich berühmt waren. Ich kriegte kein einziges Mal eines der Fahrgeschäfte voll, nicht einmal das Carolina Spin, und das war nach dem Karussell immerhin unsere beliebteste Attraktion.
    »Oben im Norden, in Neuengland, bleiben die Parks an den Wochenenden bis Halloween geöffnet«, erklärte mir Fred Dean eines Tages. Wir saßen auf einer Bank und aßen eine nahrhafte, vitaminreiche Mahlzeit, die aus Chili-Burgern und Schweineschwarten bestand. »Unten im Süden, in Florida, schließen sie dagegen das ganze Jahr über nicht. Wir befinden uns in so was wie einer Grauzone. In den Sechzigern wollte Mr. Easterbrook mal durchsetzen, dass Joyland den ganzen Herbst über geöffnet bleibt, und hat eine ganze Menge Geld für eine Werbekampagne ausgegeben, aber so richtig hat das nicht geklappt. Wenn es hier abends langsam kühler wird, gehen die Leute lieber auf die örtlichen Jahrmärkte und dergleichen. Außerdem verschwinden im Winter viele unserer Veteranen in Richtung Süden und Westen.« Er ließ den Blick über den leeren Hound Dog Way schweifen und seufzte. »Um diese Jahreszeit ist es hier ganz schön einsam.«
    »Mir gefällt das«, sagte ich und meinte es völlig ernst. Das war das Jahr, in dem ich mit der Einsamkeit auf Du und Du stand. Manchmal ging ich mit Mrs. Shoplaw und Tina Ackerley, der Bibliothekarin mit den Glupschaugen, in Lumberton oder Myrtle Beach ins Kino, aber die meisten Abende verbrachte ich in meinem Zimmer damit, noch einmal den Herrn der Ringe zu lesen und Briefe an Erin, Tom und meinen Vater zu schreiben. Ich schrieb auch eine ganze Menge Gedichte, was mir inzwischen so peinlich ist, dass ich es am liebsten vergessen würde. Gott sei Dank habe ich sie verbrannt. Außerdem kaufte ich mir eine neue, angemessen düstere Schallplatte – The Dark Side of the Moon. Im Buch der Sprichwörter steht: »Wie ein Hund, der zurückkehrt zu seinem

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