Joyland
mich hinzusetzen. »Wie geht's Ihnen, Eddie?«
»Weiß nicht. Krieg kaum Luft. Alles verbunden.«
»Ich hab Ihnen Ihre Handschuhe gebracht, aber wie ich sehe …« Ich wies mit einem Kopfnicken auf die bandagierten Händen.
»Genau.« Er schnappte nach Luft. »Vielleicht kriegen sie ja wenigstens die wieder hin. Verdammte Scheiße, die jucken wie verrückt.« Er warf einen Blick auf das Bild. »Warum hast du mir 'n das gebracht? Und was hast du in meiner Hundehütte zu suchen?«
»Lane wollte, dass ich die Handschuhe da reinlege. Das hab ich erst auch getan, aber dann dachte ich, vielleicht brauchen Sie sie ja. Und das Bild vielleicht auch. Ist das jemand, den Fred Dean anrufen sollte?«
»Corinne?« Er stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Die ist seit zwanzig Jahren tot. Gieß mir von dem Wasser ein, Bürschchen. Mein Hals fühlt sich an wie vertrocknete Hundescheiße.«
Ich schenkte ein, hielt ihm das Glas an den Mund und wischte ihm sogar den Mundwinkel ab, als er sabberte. So nahe wollte ich ihm eigentlich nicht kommen, aber als ich daran dachte, wie ich das elende Rabenaas noch vor ein paar Stunden abgeknutscht hatte, war es plötzlich nicht mehr so schlimm.
Er dankte mir nicht, aber wann hatte er das schon jemals getan? Stattdessen sagte er: »Halt das Bild mal hoch.« Ich tat ihm den Gefallen. Er starrte es eine ganze Weile an und seufzte schließlich. »Jämmerliche Fotze. Hat immer nur gezetert und hintenrum schlecht über mich geredet. Dass ich sie hab sitzen lassen und zu Royal American Shows gegangen bin, war das Klügste, was ich je gemacht hab.« Eine Träne hing ihm zitternd im linken Augenwinkel, zögerte kurz und rollte ihm dann über die Wange.
»Soll ich's wieder mitnehmen und in Ihrer Hundehütte aufhängen, Eddie?«
»Nein, lass es ruhig da. Wir hatten auch ein Kind. Ein kleines Mädchen.«
»Echt?«
»Ja. Ist vor ein Auto gelaufen. Drei Jahre alt war sie und ist wie ein Hund auf der Straße verreckt. Die verdammte Schlampe hat am Telefon rumgequatscht, statt auf sie aufzupassen.« Eddie drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen. »Jetzt hau schon ab. Reden tut weh, und ich bin müde. Auf meiner Brust hockt ein Elefant.«
»Okay. Lassen Sie es sich gut gehen.«
Ohne die Augen zu öffnen, zog er eine Grimasse. »Dass ich nicht lache! Und wie genau stellst du dir das vor? Sag's mir ruhig, ich hab nämlich keine Ahnung. Ich hab keine Verwandten, keine Freunde, keine Ersparnisse und keine Versicherung. Wie soll's jetzt weitergehen?«
»Da findet sich schon was«, murmelte ich.
»Klar, im Kino vielleicht. Na los, verschwinde.«
Dieses Mal war ich fast durch die Tür, bevor er wieder etwas sagte.
»Du hättest mich sterben lassen sollen, Bürschchen.« Er sagte es ohne jedes melodramatische Getue – es war einfach eine Feststellung. »Dann wäre ich jetzt bei meiner Kleinen.«
*
Als ich wieder ins Foyer des Krankenhauses trat, blieb ich wie angewurzelt stehen. Erst wollte ich meinen Augen nicht trauen. Aber sie war es wirklich, mit einem ihrer endlosen Folge anstrengender Romane offen vor sich. Der aktuelle hieß Die Dissertation.
»Annie?«
Sie blickte auf, erst argwöhnisch, doch als sie mich erkannte, lächelte sie. »Devin! Was machen Sie denn hier?«
»Ich besuche einen Kollegen aus dem Park. Er hatte heute einen Herzinfarkt.«
»Du meine Güte. Das tut mir leid. Kommt er durch?«
Sie bat mich nicht, mich zu ihr zu setzen, aber ich tat es trotzdem. Der Besuch bei Eddie hatte mich einigermaßen aus der Fassung gebracht, und zwar auf eine Art und Weise, die mir nicht einleuchten wollte. Ich war nicht unglücklich, und ich war nicht traurig. Aber ich war von einer seltsamen, ziellosen Wut erfüllt, die etwas mit dem widerlichen Geschmack von Peperoni in seinem Mund zu tun hatte. Und mit Wendy, Gott weiß, warum. Allmählich war ich es leid, dass ich noch immer nicht über sie hinweg war. Ein gebrochener Arm wäre schneller geheilt. »Ich weiß es nicht. Ich hab mit keinem Arzt gesprochen. Ist mit Mike alles in Ordnung?«
»Ja, wir sind nur zu einem Routinetermin hier. Seine Brust wird geröntgt, und sie machen ein großes Blutbild. Wegen der Lungenentzündung. Zum Glück hat er die überstanden. Von dem Husten abgesehen, geht es ihm gut.« Sie hielt immer noch ihr Buch offen in der Hand, wahrscheinlich ein Hinweis, dass ich gehen sollte, und das machte mich nur noch wütender. Man bedenke – in jenem Jahr wollten alle, dass ich ging, sogar der Kerl, dem ich das
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