Joyland
erklären.«
Es handelte sich um eine weitere ganzseitige Anzeige, die Manly Wellman's Show of 1000 Wonders anpries. Dieselben Clowns hielten das Pergament, aber zwei Jahre nach dem Zwischenstopp in Waycross wurden auch Bingo-Abende mit Gewinnen von insgesamt zehntausend Dollar angekündigt, und das Wort Monstrositäten war nirgendwo zu sehen.
»War die Show in der Stadt, als die junge Sharp im Kino ermordet wurde?«
»Ist am Tag davor weitergezogen.« Erin tippte auf den unteren Rand des Blatts. »Du musst dir nur das jeweilige Datum anschauen, Dev.«
Ich war mit den zeitlichen Abläufen nicht so vertraut wie sie, machte mir aber nicht die Mühe, mich zu rechtfertigen. »Das dritte Mädchen? Longbottom?«
»In der Region um den Santee konnte ich nichts über eine solche Veranstaltung herausfinden, und schon gar nicht über die Wellman-Show. Die ist im Herbst 1964 pleitegegangen. Das habe ich aus der Outdoor Trade and Industry erfahren. Soweit ich oder eine der vielen hilfsbereiten Bibliothekarinnen herausfinden konnte, ist das das einzige Branchenmagazin für Schausteller und Vergnügungsparks.«
»Himmel, Erin, du solltest die Fotografiererei vergessen und dir einen reichen Filmproduzenten suchen. Als Rechercheassistentin wärst du einsame Spitze!«
»Da mache ich lieber Bilder. Recherchieren ist mir zu sehr wie richtige Arbeit. Aber verlier jetzt nicht den Faden, Devin. In der Gegend um den Santee waren zwar keine Schausteller unterwegs, aber der Mord an Eva Longbottom gleicht den vier anderen sowieso nicht. Jedenfalls meiner Meinung nach. Vergiss nicht, die anderen wurden nicht vergewaltigt.«
»Soweit du weißt. Zeitungen sind einigermaßen zurückhaltend, was das betrifft.«
»Das stimmt, die schreiben höchstens was über ›belästigt‹ oder so, aber glaub mir, ganz verschweigen würden sie nichts.«
»Was ist mit Darlene Shoemaker? Gab es da …«
»Stamnacher. Diese jungen Frauen wurden ermordet, Dev, also könntest du dir wenigstens die Mühe machen, dir ihre Namen zu merken.«
»Ich geb mir Mühe.«
Sie griff nach meiner Hand. »Tut mir leid. Ich werf dir das alles auf einmal an den Kopf, stimmt's? Ich hab da wochenlang drüber nachgegrübelt.«
»Wirklich?«
»Mehr oder minder. Das ist alles ziemlich furchtbar.«
Da hatte sie recht. Wenn man einen Krimi liest oder im Fernsehen anschaut, geht man fröhlich über ganze Leichenberge hinweg und interessiert sich nur dafür, ob es der Butler oder die böse Stiefmutter war. Aber diese jungen Frauen waren sehr real gewesen. Wahrscheinlich hatten Krähen an ihnen herumgepickt, und Maden waren ihnen in den Augen herumgekrochen und hatten sich durch die Nase bis in die graue Gehirnmasse gebohrt.
»Waren irgendwelche Schausteller in der Gegend von Maxton unterwegs, als die junge Stamnacher ermordet wurde?«
»Nein, aber kurz darauf wurde in Lumberton ein Jahrmarkt eröffnet – das ist der nächste größere Ort. Hier.«
Sie reichte mir eine Fotokopie, auf der die Robeson County Summer Fair beworben wurde. Wieder tippte sie mit dem Finger auf das Blatt. Ich las die Zeile, auf die sie mich hinweisen wollte. 50 SICHERE ATTRAKTIONEN VON SOUTHERN STAR AMUSEMENTS. »Ich hab die Outdoor Trade and Industry auch nach Southern Star durchforscht. Die Firma gibt es bereits seit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Hauptsitz ist in Birmingham, und sie ist im ganzen Süden unterwegs und stellt Fahrgeschäfte auf. Nichts so Grandioses wie den Thunderball oder den Delirium Shaker, aber dafür haben sie einen Haufen Blitzflieger im Programm. Und die Freier werden gleich mitgeliefert.«
Ich musste grinsen. Offenbar hatte sie den Jargon noch nicht ganz verlernt. Blitzflieger waren Rundfahrgeschäfte, die schnell auf- und abgebaut werden konnten. Wer jemals mit den Krazy Kups oder der Wild Mouse gefahren ist, war auf einem Blitzflieger.
»Ich hab bei Southern Star angerufen und mir den Bereichsleiter für die Fahrgeschäfte geben lassen. Hab ihm erzählt, ich hätte den Sommer über in Joyland gearbeitet und würde für ein Soziologieseminar eine Hausarbeit über die Vergnügungsbranche schreiben. Vielleicht mach ich das ja auch. Nach all der Recherche wäre das ein Kinderspiel. Jedenfalls hat er mir bestätigt, was ich bereits vermutet habe: In diesem Gewerbe ist die Personalfluktuation ziemlich hoch. Aus dem Stegreif konnte er mir nicht sagen, ob sie jemand von der Wellman-Show übernommen hätten, aber er hielt es für einigermaßen wahrscheinlich – ein
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