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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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reifen ließen. So gewiß dem April der Mai, so gewiß mußte ihren Projekten die Erfüllung folgen.
    Nur eine ernsthafte Schlappe erlitten die Katholischen. Der Elfer-Ausschuß des Parlaments benützte eine leichte Erkrankung des Weißensee, an Stelle des zweideutigen Mannes einen zuverlässigen Evangelischen und Demokraten zu setzen, den Regierungsrat Moser, den Publizisten, der sich im Stettenfelser Handel so sichtbarlich ausgezeichnet hatte. Da saßen nun die Elf, wüteten, tobten, fluchten. Mannhaft und ernst vertrat die Sache des Landes der Präsident Sturm, grobzornig und unflätig schimpfend die Bürgermeister von Brackenheim und Weinsberg, schwungvoll pathetisch Moser, doch düster und Weltverachtung in den Mundwinkeln der Konsulent Neuffer. Ja, Neuffer saß nicht mehr auf den Stufen des Throns. Er hatte erkannt: die Macht fuhr nicht brausend und alles niederrennend einher, mit Donner und Blitzund in großem Glanz, wie er es sich vorgestellt; nein, sie war zusammengesetzt aus lauter kleinen Kniffen, sie kämpfte mit lauter schäbigen Tricks und mesquinen Mittelchen, kurz, es war um sie nicht besser bestellt als um die Freiheit. Es stank hier wie dort aus tausend Löchern, alles war ekles Flickwerk, Macht oder Freiheit, Absolutismus oder Demokratie, es war nur ein prunkender Mantel, unter dem sich widerliche, kleinliche, alberne Gelüste und Gefühlchen versteckten. Da war es schon besser, auf der Seite zu stehen, auf die man von Geburt geworfen war. Er kehrte finster und menschenverachtend der Sache des Hofs den Rücken und stellte seinen verkniffenen, gravitätischen Fanatismus wieder in den Dienst des Volkes, des Parlaments, der Evangelischen.
    Doch ob man ernsthaft sachlich und gewichtig opponierte wie Sturm oder mit düsterem Eifer wie Neuffer oder mit grobem Geschimpf wie die Bürgermeister Jäger und Bellon, es fruchtete wenig. Auf die mannigfachen, umständlichen Reklamationen, Beschwerden, Petitionen, submissesten Vorstellungen des Parlaments kam aus der herzoglichen Kanzlei hochfahrend kurzer oder überhaupt kein Bescheid. Hingegen hörte man von drohenden und gewalttätigen Reden des Herzogs, er wolle ein Bataillon Grenadiere vors Landhaus marschieren und es den Kujonen drinnen machen lassen, wie schon einmal ein Herzog von Württemberg getan. Mehrmals äußerte er, nun werde er bald dieser tückischen und aufrührerischen Hydra den Kopf zertreten. Eine Reklamation des parlamentarischen Ausschusses wegen der Regelung des Pupillenwesens war in besonders scharfen und unklugen Worten abgefaßt. Karl Alexander ließ sich daraufhin von dem Geheimrat Fichtel, der als erster Kenner des Verfassungswesens galt, gutachtlich bestätigen, keine Landschaft dürfe Beschwerden und Gegenvorstellungen erheben, in welchen die Ehrfurcht gegen den Fürsten so außer acht gelassen sei. Der Urheber solchen Schriftstücks verdiene, daß ihm der Kopf vor die Füße gelegt werde. Audienzen landschaftlicher Deputationen beim Herzog hatten keine bessere Folge. Ja,das vierschrötige Gehabe des Bürgermeisters von Brackenheim erbitterte Karl Alexander einmal derart, daß er auf den Mann losging, ihm mit dem flachen Degen seine Untertanenpflicht beizubringen; knapp und mit Mühe konnte der atemlose Deputierte sich retten.
    So standen die Läufte, als Johann Jaakob Moser an Stelle des Weißensee in den Elfer-Ausschuß berufen wurde. Er war der Jüngste im Ausschuß, doch trotzdem er erst im Anfang der Dreißig stand, ein umgetriebener Mann; hitzig, wichtigmacherisch, mit einem Abenteuerhang zum Wechsel, ein Liebhaber rascher, großer Worte und pathetischer Gesten, sehr geübt mit der Feder, ein leidenschaftlicher Publizist. Von frühester Jugend an hatte sich der rastlose Mensch mit massenhaftem Wissen vollgestopft. Mit siebzehn Jahren schon hatte er Diskurse drucken lassen, mit neunzehn hatte er sich dreist und voll flinken Selbstbewußtseins an den Herzog Eberhard Ludwig herangemacht und war außerordentlicher Professor in Tübingen geworden. Mit zwanzig Jahren wechselte er hinüber an den Wiener Hof, wurde Regierungsrat, pürschte sich an den Kaiser heran. Um sich vor Zwischenträgereien zu sichern, rief man ihn nach Württemberg zurück. Es war indes mit dem starren und anmaßenden Mann nicht auszukommen, er ging nach Preußen, wurde Rektor der abgelegenen und vernachlässigten Universität Frankfurt an der Oder, warf das undankbare Amt sehr bald wieder hin und kehrte unter Karl Alexander nach Stuttgart zurück. Während

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