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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nicht! Mir hat er es auch nicht erlaubt. Hätte ich ihm gefolgt, wäre ich jetzt vielleicht so weit wie jener. Erlaubt es nicht! Erlaubt es nicht!« ärgerte er sich, mit seiner hellen Stimme vor sich hin schimpfend, stark gestikulierend. »Was anderes weiß ich nicht«, sagte er plötzlich, mit einem Ruck stehenbleibend. Und da er die Mutter mutlos und erloschen sitzen sah, fügte er noch hinzu: »Ich will gern tun, was ich kann, von seinem Vermögen zu halten, was zu halten ist. Obzwar er es nicht um mich verdient hat. Was man in Heidelberg, Frankfurt, Mannheim für ihn retten kann, ich will die Hand darauf legen. Ich will auch mit Geld nicht sparen, Versuche zu machen in Stuttgart bei der Regierung, bei den Richtern, im Gefängnis. Aber wenn er sich nicht taufen läßt«, schloß er achselzuckend, »wird es schwerlich gut ablaufen.« Michaele setzte, als sie ging, die Füße schwerer als beim Kommen.
    In Stuttgart wirkte unterdessen stetig und gleichmütig Nicklas Pfäffle für seinen Herrn. Große Gelder flossen an Regierungsstellen, Gerichtsbeamte. Da der Herzog-Administrator angeordnet hatte, daß peinlich genau untersucht werden müsse, was unzweifelbarer, legitim erworbener Besitz des Süß sei und daß dieser Besitz nicht angetastet werden dürfe, hatte der Sekretär reiche Mittel zur Verfügung. Kostbare Vasen,Teppiche, Steine gingen aus dem Haus des Süß in der Form von Andenken an einflußreiche Parlamentarier, Hof- und Staatsbeamte, die offiziell mit der Affäre nichts zu tun hatten, mittelbar um so mehr wirken konnten.
    Durch alle Judenheit aber lief es, raunte es, schwoll an: »Er hat gerettet den Reb Jecheskel Seligmann Freudenthal, er hat seine Hand ausgestreckt und geschützt die Juden am Neckar und am Rhein. Jetzt haben sie sich zusammengetan, Edom und alle Frevler, und sind hergefallen über ihn. Er war ihnen zu groß, er hat ihnen zuviel Glanz gestrahlt über die Judenheit. Sind sie hergefallen über ihn wie Haman der Frevler und wollen ihn totschlagen. Helft und rettet den Reb Josef Süß Oppenheimer, der ein guter Jud war und seine Hand gehalten hat, wie er in Glanz war, zu gutem Schutz über alle Judenheit.« Da wurde gebetet und gefastet in den Bethäusern, da wurde gewirkt in den Kanzleien und Kabinetten, da wurde Geld gesammelt, viel Geld, immer mehr Geld, ungeheures Geld, alles zu Händen des Reb Isaak Simon Landauer, Hoffaktors und guten Juden, der bestellt war von den Rabbinern und den Gemeinden, zu schützen mit aller Kraft und Schlauheit und Vermögen den gefallenen Reb Josef Süß Oppenheimer, Retter Israels aus großer Not. Isaak Landauer aber hatte einen Plan, keinen besonders schlauen Plan, aber kühn und geradezu, für den Fall, daß sie es wirklich wagen sollten, den Süß zu verurteilen. Zu diesem Plan brauchte er Geld, märchenhaft viel Geld. Und märchenhaft viel Geld strömte in seine Kassen, blankes Gold, Wechsel, Verschreibungen, der Geringe gab gering, der Große gab groß, aus allen Ländern, aus allen Gemeinden, von den Juden aller Welt.
    Johann Daniel Harpprecht saß in seiner Bibliothek, arbeitend. Der Herzog-Administrator hatte den Spruch der Kommission nicht bestätigt, hatte befohlen, ihn vorläufig geheimzuhalten, und hatte ihm, dem Harpprecht, das Urteil nebst dem ganzen zugehörigen riesigen Aktenmaterial zur Begutachtung schicken lassen.
    Ingrimmig saß der alte Herr. Dies war der vierte Winter, seitdem er das Judizium über den Fall des Jecheskel Seligmann hatte abgegeben, den Stinkjuden wider Willen hatte retten müssen. Die nagenden Würmer hatten abgelassen jetzt und sich verkrochen; die obenan aufringelten, die fetten, gemästeten, der Herzog und der Jud, davon war der eine tot, der andere lag machtlos und unterm Fuß, und es stand bei ihm, zuzutreten. Ei, sie hatten gut genagt seither. Er, Harpprecht, war ein fester Mann gewesen, jetzt war er ein Greis durch sie, und viel Land und Wald und Acker und Menschenleib und Menschenseel war übel zerfressen und vertan durch sie, und der Junge, der Michael, war angenagt, und die sanfte, liebliche Elisabeth Salomea Götzin war eine Hur geworden durch sie. Und wenn auch jetzt das Gewürm gescheucht ist und sich verkrochen hat, es wird wiederkommen, wie es immer wiedergekommen ist, und das alte Gebäu wird vollends zusammenstürzen. Und nun also saß er und sollte judizieren, ob es rechtens sei, diesen nagenden und schädigenden Wurm zu zertreten.
    Bilfinger kam. Er war jetzt der eigentliche Regent im Land, ein

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