Jud Sueß
Kommerz zurückgezogen, das herzogliche Gebiet verlassen, in der freien ReichsstadtEßlingen ein Patrizierhaus gekauft und neu eingerichtet. Dort saß er nun, stattlich, reich, Ratsherr, hoch angesehen.
Die Geschäfte der Stuttgarter, Uracher, Maulbronner Manufaktur leitete jetzt Johann Ulrich Schertlin, ein fester, kundiger, zupackender Mann, mit der erste unter den schwäbischen Industriellen. Er hatte sich eine Französin zur Frau genommen, aus der Emigrantenkolonie Pinache im Oberamt Maulbronn, die zu Ende des vorigen Jahrhunderts die vertriebenen Waldenser angelegt hatten, eine schöne, fremdartige Frau, kurzer, roter Mund in weißem Gesicht, hochmütige, längliche Augen unter rötlichblondem, leuchtendem Haar. Freunde, Verwandte konnten mit ihr nichts Rechtes anfangen. Sie war ein Staatsweib, das war nicht zu leugnen, aber sie war verdammt stolz, sie antwortete karg und kurz, meist schwieg sie gelangweilt, auch sprach sie, obwohl in Deutschland geboren, fast immer welsch und die Landessprache nur stockend. Aber Johann Ulrich Schertlin konnte sich das leisten, er saß dick in Geld und Würden, er hatte ein Haus in Stuttgart, eines in Urach, abgesehen von den Manufakturen. Er stellte, Teufel noch eins, seinem Hauswesen vor, wen er für gut hielt. Und er wandelte stattlich hin mit der Frau, die er liebte, und sein Haus und Tagewerk gedieh.
Nun hatte aber Süß einen Geschäftsfreund, einen gewissen Daniele Foa in Venedig, der ihm aus der Levante Kapital, Pferde, Juwelen, Stoffe und Wein vermittelte. Auch die Schimmelstute Assjadah hatte er beigebracht. Diesen Daniele Foa kannte Süß schon von der Pfalz her, wo ihm seine Unterstützung in dem Kampf gegen Dom Bartelemi Pancorbo sehr wertvoll gewesen war. Der Levantiner, ein großzügiger, gerissener Geschäftsmann, hatte den Rhein hinauf, hinunter einen ausgedehnten Handel mit Textilien in Gang gesetzt und benützte den Einfluß des Süß, jetzt ins Schwäbische hinüberzugreifen. Er erhielt Freiheiten und Gerechtsame, stieß aber hart auf die Konkurrenz der Schertlinschen Manufakturen, die überall in diesen Gegenden ausgezeichnet eingeführt waren. Süß, der dem Levantiner gern gefällig seinwollte, machte sich mit gewohnter, kalter Umsicht daran, diese Konkurrenz rücksichtslos niederzutreten. Die Fabriken der Schertlin wurden schikaniert, ihre Privilegien ins Wertlose kommentiert, ihre Verträge mit dem Kammergut gekündigt, Akzise und Steuern so erhöht, daß sie nicht weiter konkurrieren konnten. Dagegen errichtete der Finanzdirektor als Strohmann des Daniele Foa auf eigenen Namen eine Manufaktur, und die Zollbehörden wagten es nicht, dem Allmächtigen die Gebühren in der gewaltigen vorgeschriebenen Höhe zu berechnen, es wurden von seinen Sendungen nur ganz geringe oder gar keine Abgaben erhoben.
Auch die Schertlin persönlich begann man zu bedrängen. Einem hängte unter nichtigem Vorwand das Fiskalatsamt einen Prozeß an, aus dem er sich nicht herauswinden konnte, zwei jüngere Schertlin wurden, trotzdem sie hohen Loskauf boten, zur Armee eingezogen. An den alten Christoph Adam freilich, der in dem freien Eßlingen saß, konnte man nicht heran, und auch an Johann Ulrich wagte man sich vorläufg noch nicht. Aber die Hand des Juden lag schwerer auf dieser Familie als auf den anderen, und Johann Ulrich würgte an dem Kummer über den Niedergang seines Geschäfts, an der Schmach, zwei junge Schertlin zur Armee gepreßt zu sehen, an dem Gram, seine schöne Frau nicht in den fürstlichen Glanz setzen zu können, den er für sie träumte.
Da bekam endlich Süß eine Schlinge in die Hand, den Johann Ulrich zu fangen. Der eine junge Schertlin, der Soldat, hatte Urlaub erhalten nach Eßlingen zu seinem Großvater und kam von dort nicht zurück. Verhandlungen zwischen dem Herzog und der Stadt über die Auslieferung von Deserteuren schwebten, waren aber noch nicht abgeschlossen. Auf Betreiben des alten Ratsherrn weigerte sich die Stadt, den jungen Menschen herauszugeben. Da fingen die Leibhusaren des Süß einen Brief Johann Ulrichs auf, in dem er den Alten bestärkte in der Ablehnung, den Deserteur den herzoglichen Kommissarien zu überlassen. Dies war Kriegsverbrechen, Hochverrat.
Süß, alle Trümpfe in der Hand, ging langsam, sänftlich vor. Zunächst wurde Johann Ulrich aufgefordert, sich herzoglichen Kriegsinquisitoren zu stellen. Da der stolze Mann knirschend fernblieb, wurde er aufgehoben, auf den Hohentwiel gebracht. Man munkelte, ein Militärgericht
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