Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
neben großen Gewinnen auch dicke Verluste brachte, so wußte Süß aus vielen anderen Quellen sich stetigen und sicheren Zufluß zu sichern. Er wußte es etwa einzurichten, daß in ständiger Wiederkehr, wenn die herzogliche Kasse größere Zahlungen zu leisten hatte, Besoldung der Beamten, der Truppen, kein Bargeld da war. Dann schoß er aus seinen Kassen das fehlende vor und behielt als Entgelt vom Gulden einen Groschen zurück. Bürger und Bauer sahen in dieser klar durchschaubaren Finanzoperation die Quelle ihres ganzen Unheils, undkein Mangel, keine Armut drückte so sehr wie dieser fehlende Judengroschen.
    Auch die Münze hatte er gepachtet. Aber er verschmähte es, an mindergewichtigem Geld zu verdienen. Zu einem so plumpen und subalternen Manöver hatte er damals greifen müssen, als er noch ganz verkannt und gering war, beim Darmstädter Münzakkord, als ihm kein anderes Mittel übrigblieb. Jetzt war es großzügiger, an dem erhöhten Umsatz des guten Geldes zu profitieren. So war das Geld, das er prägte, das beste unter allen deutschen Scheidemünzen, das gangbarste und gesuchteste. Vor allem aber juckte es ihn, durch die Solidität seiner Münzgebarung seine Feinde mundtot zu machen. Er wußte, hier würden seine Gegner zuerst einsetzen, hier konnte er über den kleinsten Fehltritt stolpern; wurde er andererseits hier reell befunden, so mußte sein Kredit ungeheuer steigen. Gespannt wartete er auf eine Anklage, suchte sie zu beschleunigen. Der plumpe Remchingen, von anderen in solchen primitiven Finanzanschauungen bestärkt, konnte sich denn auch den zunehmenden Reichtum des Süß nicht anders erklären als mit der konventionellen Annahme, der Jude präge Schwindelgeld. Er hetzte den Herzog auf, bis der endlich eine Untersuchung anordnete. Und Süß, bescheidenstolz lächelnd, wies die Briefe der Agenten vor, seine Stücke fielen zu schwer aus, es sei zu wenig Gewinn dabei, und sonnte sich in seiner Unantastbarkeit.
    Er war beteiligt auch an vielerlei andern Akkorden und Pachtungen. Überall hatte er Warenniederlagen und Verkaufsstapel, und ein fürstliches Patent befreite ihn von Zoll und Akzise; auch zwangen die fürstlichen Beamten, Stadtund Amtsvögte den Untertanen zu seinem privaten Nutzen Frondienste und Fronfuhren ab. Er ließ sich Lotterien privilegieren und kitzelte durch Glückshäfen und Spielkasinos das Geld aus allen Taschen.
    So spannte er ein Netz von Unternehmungen, vielfältig verästelt, übers Land. Er dehnte sich und badete in der Macht. Aber manchmal war es ihm, als sei es nicht er, von dem derganze glänzende Wirbel ausgehe. Dann hob er wohl die Schultern, überfrostet, wie in Abwehr. Jäh schnürte ihn eine unheimliche Gebundenheit. Die Dinge um ihn verfahlten; er sah sich schreiten in einer stummen, schattenhaften Quadrille, Rabbi Gabriel hielt seine rechte, der Herzog seine linke Hand. Sie schlängelten sich, machten ihre Pas, verneigten sich. Schritt da drüben in der Kette, durch viele Hände mit ihm verstrickt, nicht auch Isaak Landauer? Wie schaurig possierlich er aussah mit seinem Kaftan und den Schläfenlöckchen in dem ernsthaften, schweigenden, gezirkelten Schreiten, Neigen, Sichwinden.
    Aber das trübe, nebelhafte Bild quälte ihn nur für kurze Augenblicke. Dann tauchte es hinunter vor dem Tag, der um ihn war, nebelte ins Nichts, zerweste. Und es blieb das Gold, das man wiegen und zählen, das Frauenfleisch, das man tasten, streicheln, packen, haben konnte. Es war da und blieb. Glanz, Macht, Wirbel, Leben.
    In Urach war eine Leinwandkompanie, die der Familie Schertlin gehörte. Die Schertlin hatten unter Herzog Eberhard Ludwig klein angefangen, jetzt waren sie weit im Land verzweigt. Ihr Geschäft blühte, sie hatten eine Niederlassung in Maulbronn, betrieben in Stuttgart eine Seidenmanufaktur. Kräftig, glücklich und geschickt hatte seinerzeit, als die Fabrik noch klein und unbedeutend war, der Seniorchef der Familie, Christoph Adam Schertlin, ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft durchgesetzt und der Gräfin Grävenitz Anteilscheine weit unterm Wert überlassen. Auf diese simple Manier war die mächtige Favoritin für das Unternehmen interessiert worden, sie verschaffte der Gesellschaft Privilegien und Aufträge. Dann später, als die Gräfin in Ungnade war und ihr in Württemberg liegendes Vermögen liquidieren mußte, konnte Christoph Adam Schertlin ihre Aktien durch gewisse Unterhandlungen mit Isaak Landauer billig zurückerwerben. Jetzt hatte er sich vom

Weitere Kostenlose Bücher