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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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aber er blieb im Land. Er machte einen Kramladen auf in Urach. Verlotterte mehr und mehr, saß in den Kneipen, besoff sich, fluchte gotteslästerlich gegen den Herzog und die höllische hebräische Wirtschaft. Aber während man sonst jede solche Unmutsäußerung schwer strafte, ließ man ihn ruhig gewähren. Auch sein Kramladen wurde vom Amt in jeder Weise unterstützt. Die Behörden mußten von einflußreicher Stelle einen Wink bekommen haben.
    Die Waldenserin ging herum, in ihrem ärmlichen Kleid so stolz wie früher. Hochmütige Blicke warf sie mit den länglichen Augen. Wollte eine Kundschaft sich in einen breiteren Diskurs einlassen, antwortete sie karg und kurz. Meist schwieg sie gelangweilt. Auch sprach sie, obwohl in Deutschland geboren, fast immer welsch und die Landessprache nur stockend.
    Durch die prunkenden Säle des Süß schleifte Isaak Landauer seinen Kaftan, aufdringlich am Ärmel trug er das württembergische Judenzeichen, das niemand von ihm verlangte, das S mit dem Horn. Die glänzenden Spiegel warfen zwischen Lapislazuli und Gold sein Bild zurück, den klugen, fleischlosen Kopf mit den Schläfenlöckchen, dem schütteren, rotblond verfärbten Bart. Der Finanzdirektor zeigte ihm sein Haus. Der Mann im Kaftan stand vor den Vasen, Gobelins, klingelnden Pagoden, sah mit aufreizend spöttischem Lächeln hinauf zu dem Triumph des Merkur, klopfte mit der dürren, kalten Hand die Schimmelstute Assjadah, schritt durch die beiden Pagen, die Söhne des Domänenpräsidenten Lamprechts, diein Haltung am Eingang zu den Privatgemächern standen. Prüfte mit den Fingern die kostbaren Stoffe der Möbel, nannte mit stupender Sachkenntnis die Preise. Stand kopfschüttelnd vor den Büsten des Moses, Homer, Salomo, Aristoteles, äußerte: »So hat Moses, unser Lehrer, sein Tage nicht ausgesehen.« Aber aus dem Bauer krächzte der Papagei Akiba: »Wie geruhen Euer Durchlaucht geschlafen zu haben?« Süß hatte Isaak Landauer lang erwartet. Er hatte für diesen Besuch sein Palais sorglicher vorbereitet als für den Besuch manches Fürsten. Er lauerte auf eine Bewegung der Überraschung, staunenden Anerkennens; dem Mann im Kaftan, gerade dem zu imponieren, verspürte er eine aufreizende, quälende Gier. Aber Isaak Landauer wiegte nur den Kopf, rieb die fröstelnden Hände, lächelte, sagte: »Wozu, Reb Josef Süß?«
    Durch das Kabinett ging neugierig die Sophie Fischerin, die Tochter des Kammerfiskals Fischer, die der Finanzdirektor seit zwei Wochen als seine erklärte Mätresse im Haus hielt, ein großes, stattliches Mädchen, weiß, üppig, rotblond, sehr schön, leicht ordinär. Als Süß sie wegen der Störung anfuhr, warf sie einen lässigen Vorwand hin, beschaute, die Lippen geschürzt, den Isaak Landauer, entfernte sich.
    »Wozu, Reb Josef Süß?« wiederholte Isaak Landauer. »Wozu gleich dreißig Diener? Könnt Ihr besser essen, besser schlafen, wenn Ihr habt dreißig Diener statt drei? Ich begreife, daß Ihr Euch die Schickse haltet, ich begreife, daß Ihr ein schönes Zimmer zum Essen wollt, ein gutes, breites Bett. Aber wozu den Papagei? Was braucht ein Jud einen Papagei?«
    Süß schwieg, bis unters Haar erfüllt von zehrendem Ärger. Dies war nicht Einfältigkeit, dies war Hohn, klarer, offensichtlicher Hohn. Was kein Minister sich erkühnte, der Mensch im Kaftan tat es mit der schlichtesten Selbstverständlichkeit: machte sich ihm ins Gesicht hinein lustig über ihn. Und er war machtlos gegen ihn, er brauchte ihn, er konnte nur schweigen. Sicherlich wird er auch wieder von den altmodischen Geschichten anfangen, die für die Gegenwart ganz ohne Sinn und Bezug sind, dem Ravensburger Kindermordprozeß und solcherNarretei. Und er, Süß, mußte das alles anhören. Es war unmöglich, Geschäfte zu machen ohne Isaak Landauer. Ach, wenn man diesen kompromittierenden Burschen beiseite drängen könnte! Aber man mußte froh sein, wenn er einen an sich heranließ. Es gab vorläufig keinen Weg um ihn herum.
    Man sprach von den Affären, die zu erledigen waren, belauerte sich, schacherte scharf. Eigentlich war Süß überall der Gebende; aber er mußte viel mehr sprechen als der andere und kam sich trotz allen Großgetues wie in der Verteidigung vor. Im Blick Isaak Landauers hielt keine noch so kunstvoll gepinselte Tünche stand, er drang sofort dahinter, alles Scheinwesen zerfiel vor ihm; mit kopfwackelndem Unglauben räumte er das schimmernde Beiwerk weg und nahm in seine fröstelnden Hände das Herz der

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