Judasbrut
ich
wusste ebenfalls, dass Sara ein Auge zudrückte, solange Leonhard diskret war.
Um ihres Sohnes willen – bevor Sie mich danach fragen.«
Maria
tippte mit dem Kugelschreiber aufs Papier. »Also glauben Sie, Sara hat zunächst
impulsiv gehandelt, aber Sie halten es für untypisch, dass sie nicht
zurückgekommen ist, um ihm zu helfen.«
»Richtig.«
Er wirkte zufrieden, dass sie ihn jetzt endlich verstanden hatte.
»Hat
Sara Ihnen von Leonhards Affäre mit Bianca erzählt?«
»Das
hat sie. Leonhard hatte oft Affären. Wie bereits gesagt, Sara und ich haben uns
gut verstanden. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie mir ihre Probleme
anvertraut hat. Tun Sie das nicht auch manchmal? Mit jemandem über Ihre
Probleme reden?«
Maria
ging nicht auf diese persönliche Frage ein. »Woher kennen Sie Bianca Esser?«
Cohen
machte eine unbestimmte Geste. »Ich habe sie auf der Geburtstagsfeier von
Leonhard im vergangenen Jahr kennengelernt. Ende Mai oder Anfang Juni.«
Es war
mehr ein plötzliches Gefühl, dass Cohen möglicherweise in der Sache mit drin
hing, daher ließ Maria ein paar Sekunden verstreichen, um diese Erkenntnis
sacken zu lassen, bevor sie weiterfragte. »Sind Sie näher mit ihr bekannt? Also
haben Sie noch Kontakt zu ihr?«
»Ich
weiß nicht, was Sie unter näher verstehen, aber wir telefonieren
miteinander und treffen uns manchmal.« Er sah Maria direkt an.
»Haben
oder hatten Sie eine Liebesbeziehung zu ihr?«, fragte Maria ohne Umschweife.
»Nein.«
Er wandte den Blick nicht ab.
Ihr
Gefühl festigte sich. Eichmüller glaubte, während seines Streits mit Sara
Geräusche aus dem Erdgeschoss gehört zu haben. War Cohen dort gewesen? »Wo
waren Sie am Sonntagmorgen?«
Cohen
lachte. »Oh, ich verstehe. Sie glauben, ich habe mit Sara versucht – wie
sagt man doch: Zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen? Sara ist ihren
Ehemann los und Bianca ist frei für mich? Ich muss Sie leider enttäuschen, Frau
Kommissarin. Mir gefällt Bianca, aber ich weiß, wann ich verloren habe.«
»Das
ist schön«, bemerkte Maria mit einem leisen Anflug von Ironie. So einfach war
es offenbar nicht. Sie konnte Cohens Rolle nicht näher einordnen. Noch nicht.
»Also können Sie ja meine Frage beantworten, wo Sie am Sonntagmorgen waren.«
»Zu
Hause, denn unsere Praxis hatte ab acht Uhr Notdienst. Ab zehn Uhr war ich für
ein paar Stunden hier, anschließend auf Krankenbesuch.«
Maria
nickte. »Gut, Dr. Cohen.
Das wäre vorerst alles. Sofern ich noch Fragen habe, werde ich Sie anrufen.«
»Jederzeit«,
erwiderte er und neigte den Kopf dabei ein Stück.
Kurz
darauf saßen Maria und Michelle wieder im Auto. »Glaubst du, er hat was mit
Frau Sara Eichmüller?«, wollte Michelle nachdenklich wissen.
Überrascht
sah Maria ihre junge Kollegin von der Seite an. »Wie kommst du darauf? Ich
dachte eher an Bianca Esser.«
»Ja,
mit der würde er gern«, winkte Michelle ab. »Vielleicht hatte er erst was mit
Sara und deswegen haben sie sich letztes Jahr gestritten. Und vielleicht hat er
sich dann an Bianca rangemacht. Aber die hatte schon was mit Saras Mann. Blöde
Sache das, oder?«
»Könnte
es sein, dass du eine blühende Fantasie hast?«, meinte Maria amüsiert.
»Ja,
deswegen will ich zur Kripo«, erwiderte Michelle im Brustton der Überzeugung,
wobei sie mit den Wimpern klimperte. »Mal Scherz beiseite, hast du nicht auch
das Gefühl, dass er … er ist … keine Ahnung … ?«
»Ja,
unbedingt! Auf jeden Fall ist er … keine
Ahnung!«, ulkte Maria. »Und weißt du, was das heißt? Wir sollten ihn im Auge
behalten!«
»Sag
ich ja!« Michelle grinste.
Dechsendorf
Schon die zweite Runde trabte
Maria allein um den großen Weiher. Inzwischen war es fünf vor sechs. Sie hatte
mit Nina verabredet, sich um 18 Uhr am Strandbad zu treffen – wenn
sie es pünktlich dorthin schaffen wollte, musste sie ihr Tempo erhöhen. Sie
lief am Camping vorbei und erreichte bald darauf den sandigen Parkplatz unter
den großen Kiefern. Nina stand mit einem großen blonden Mann neben ihrem
dunkelblauen Golf, der nahe der Bushaltestelle parkte. Maria wurde langsamer,
als sie erkannte, mit wem sich ihre Freundin gerade unterhielt.
»Servus!«,
rief sie, als sie die beiden erreichte. Sie umarmte Nina freundschaftlich und
nickte grüßend in Richtung des Mannes. »Dr. Ducros!«
Der
stadtbekannte Bauunternehmer Johannes Ducros war vor knapp drei Jahren in einen
von Marias Fällen verwickelt gewesen. Er wirkte für eine Sekunde
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