Judasbrut
schwarze BMW mit Erlanger
Kennzeichen bog kurz hinter dem Chausseehaus von der B 8 in Richtung Neustadt ab. Sie
durchquerten ein kleines Waldstück, um der Nürnberger Straße auf dem
Höhenrücken zu folgen. Sie waren früher dran als geplant, denn Bianca war nicht
im Institut gewesen. Laut Sekretärin hatte sie sich am Morgen für den Rest der
Woche krankgemeldet, nachdem sie gestern das Institut bereits früher als
gewöhnlich verlassen habe.
Maria
hatte die Gelegenheit genutzt, um ein paar Mitarbeiter zu befragen. Hinter
vorgehaltener Hand schien bekannt zu sein, dass Eichmüller in den vergangenen
Jahren häufiger Affären gehabt hatte. Es hieß sogar, Sara akzeptiere die
Seitensprünge stillschweigend, denn niemandem waren außergewöhnliche Spannungen
in der Ehe Eichmüller aufgefallen.
»Wie
cool«, entfuhr es Michelle, während sie über holpriges Kopfsteinpflaster durch
das Nürnberger Tor nach Neustadt hineinfuhren. »Das ist ja richtig alt hier. So
mit Stadttor und Stadtmauer und den alten Häusern. Und hier gibt es einen ›FC
Geißbock‹! Sehr sympathisches Städtchen.«
»Wieso?«
»Dem
Kölner FC sein Maskottchen ist der Geißbock. Bist du etwa kein Fußballfan?«
Maria
wartete geduldig, bis das Auto vor ihnen ganz gemächlich auf einen Parkplatz
rangierte. »Nein, gar nicht. Aber es heißt FG Geißbock – Faschings Gesellschaft.«
»Fasching?
Hey, Karneval gibt’s hier auch? Da fühlt man sich so als Exil-Kölner gleich
heimisch.«
Lachend
folgte Maria der Straße, die sich leicht bergab schlängelte.
»Du
kennst dich aber gut aus«, meinte Michelle mit unverhohlener Bewunderung. »Ohne
Navi wäre ich hier völlig aufgeschmissen.«
»Da
stellt sich glatt die Frage, wie die Menschheit ohne diese Technik den Weg von
Afrika bis nach Franken gefunden hat«, erwiderte Maria trocken, während sie
nach einem Parkplatz Ausschau hielt.
»Also
ich bin froh, dass es so ein Teil gibt. Versuch mal in Köln ohne
zurechtzukommen.« Sie verdrehte die Augen. »Lauter Einbahnstraßen, permanentes
Linksabbiege-Verbot und Baustellen noch und nöcher. Das Kölsch in der Kneipe
kannst du quasi schon sehen, aber du hast keine Chance hinzukommen.«
»Und
lass mich raten: Parken kann man da auch nicht«, warf Maria ein, steuerte den
BMW auf einen freien Parkplatz am unteren Ende der Ludwigstraße, direkt vor
einem Fischspezialitätenladen.
Nachdem
sie ausgestiegen waren, deutete Maria auf ein altes Fachwerkhaus, das einige
Meter hinter ihnen stand. »Da vorn ist es. Aber wir sind noch zu früh. Hast du
was dagegen, wenn wir kurz in eine Buchhandlung gehen? Franzi hat am Freitag
Geburtstag und sie wünscht sich den vierten Teil von dieser Vampir-Geschichte. Bis
zum … keine Ahnung, bis wohin diesmal. Im Buchladen werden sie es wohl
wissen.«
»Bis
zum Ende der Nacht«, half Michelle, während sie losliefen. »›Biss‹ mit zwei s
und das letzte in Klammern. Das hab ich letztes Jahr auf Englisch gelesen, weil
ich wissen wollte, wie es ausgeht. Kennst du das etwa nicht?«
»Den
ersten Teil musste ich mit Franzi im Kino sehen.«
Während
Michelle sie in aller Ausführlichkeit darüber in Kenntnis setzte, wie die
Vampir-Saga weiter ging, bogen sie erst rechts in die Wilhelmstraße ein, um
dann den Marktplatz zu überqueren. Zwischendurch blieb Michelle stehen, um die
alten Häuser im fränkischen Stil und das barocke Rathaus mit seinem Säulengang
zu bewundern. In der Bamberger Straße betraten sie schließlich eine kleine
Buchhandlung. Die Dame, die gerade Taschenbücher in ein Regal gleich hinter dem
Eingang sortierte, schickte sie weiter ins Obergeschoss. Das uralte Haus war
wenige Meter breit, daher passte sich die genauso schmale wie steile Holztreppe
in ihrer Dimension den Räumlichkeiten an.
»Die
haben echt Charme, diese alten Häuser«, fand Michelle, während sie die
knarzende Stiege erklomm.
Mit den
dunklen Fachwerkbalken mitten im Raum und den Wänden voller Bücher verströmte
das verwinkelte Obergeschoss eine heimelige Atmosphäre. Während Michelle im
Stapel der Neuerscheinungen am Treppengeländer stöberte, stand Maria ratlos vor
den Regalen der Kinder- und Jugendbuchecke. Noch während sie stirnrunzelnd nach
dem Buch suchte, kam ihr eine Frau mit Brille zur Hilfe, indem sie das gesuchte
zielsicher aus dem Regal zog.
»Soll
ich es Ihnen gleich als Geschenk verpacken?«, erkundigte sie sich.
»Das
wäre wunderbar«, seufzte Maria. »Bei so etwas habe ich zwei linke Hände.«
»Na,
dafür
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