Judasbrut
klingt es, als habe der gute Professor Leibl, der immer so unschuldig tut,
seine Finger im Spiel. Er ist Epidemiologe und als Wissenschaftler kennt er
bestimmt in aller Welt Leute, die ihm gern einen Gefallen tun. Außerdem waren
Sara und Perez, wie wir von Eichmüller wissen, ja schon selbst in Tel Aviv.
Also … « Sie überlegte kurz, bevor sie weitersprach: »Wir haben viele
Indizien, aber zu wenig Fakten. Allerdings halte ich es für schlecht, jetzt
schon das ganze Team darauf anzusetzen – ich
will auf jeden Fall mit Jens sprechen, denn ich möchte nach Möglichkeit nicht
hinter seinem Rücken handeln und Nina ins Spiel bringen. Falls Nina und der
Fall Eichmüller nichts miteinander zu tun haben, sollten Privatangelegenheiten
auch privat bleiben. Falls es tatsächlich Perez Leibl war, mit dem sie sich
getroffen hat, sieht die Sache anders aus – und
das wird Jens dann verstehen. Ich sehe mir zuerst dieses Bild noch mal an. Dazu
muss ich zu Leibl in die Villa.«
»Sofort?«
Michelle war drauf und dran aufzustehen.
Energisch
bedeutete Maria ihr sitzen zu bleiben. »Ja, aber du bleibst hier, weil du
nämlich in der Zwischenzeit ein paar Dinge herausfinden wirst. Und zwar über
Professor Leibl und sämtliche Verbindungen nach Tel Aviv. Außerdem alles,
wirklich alles, was du über Perez bekommen kannst – inklusive Hobbys, Schuhgröße, seinen Lieblingsitaliener, ob er Erdnusscreme in
Creamy oder Crunchy bevorzugt, und zwar so unauffällig wie möglich! Ach ja,
kennst du zufällig jemanden in Köln, der ohne größeres Aufsehen unter Leibls
Meldeadresse nachsehen kann, ob er dort ist? Nicht, dass ich das glaube, aber
diesmal sollten wir sehr gründlich sein.«
»Okay«,
sagte Michelle betont langsam. »Ohne größeres Aufsehen heißt, nicht in Uniform,
oder? Da wüsste ich jemanden, er is…«
»Sag’s
mir am besten nicht« Maria hob abwehrend die Hände. »Derjenige soll einfach
dort klingeln, und falls niemand da ist, bei den Nachbarn fragen – er
hätte ein Päckchen für Leibl, oder so. Denk dir was aus. Falls du nicht weiter
kommst oder unsicher bist, frag nicht die Kollegen hier, sondern ruf meinen
alten Chef Paul Holzapfel an. Hier ist seine private Handynummer. Ich sag ihm
Bescheid. Und ruf mich sofort an, sobald du etwas Wichtiges hast.« Sie
schnappte sich ihre Jacke und Handtasche.
Michelle
hatte rote Wangen bekommen. »Was ist mit Cohen? Und den Obduktionsberichten?«
»Später!«
Sie war schon fast bei der Tür.
»Maria – aber
ist das jetzt nicht verboten, was wir hier machen?«
»Ein
bisschen unkonventionell.« Sie zwinkerte. »Ich nehm das auf meine Kappe. Im
Zweifel wusstest du von nichts und hast nur gemacht, was ich dir gesagt habe.
Also wenn jemand Ärger bekommt, dann ganz sicher nicht du. Ich mache das, weil
ich einfach nicht möchte, dass Nina und Jens unnötig in Schwierigkeiten kommen.
Die beiden haben genug mit sich selbst zu tun. Also Servus.« An der Tür drehte
Maria sich noch mal zu Michelle um, die bereits am Computer saß und nach dem
Telefon griff. »Und wehe, du vergreifst dich an meinem Ciabatta!«
Burgberg
Maria parkte vor der eleganten
Villa. »Ich bin da, Paul, und gehe jetzt rein.«
Am
anderen Ende der Leitung hörte man Holzapfel schnauben. »Dein Vater hätte dir
öfter den Hintern versohlen sollen! Warum zum Teufel hast du dir niemanden
mitgenommen? Wenigstens die Kleine!«
»Lass
Michelle bloß nicht hören, dass du sie so nennst!«
Holzapfel
ging nicht auf den lahmen Scherz ein. »Hab ich dir eigentlich gar nichts
beigebracht?«
»Was
glaubst du, warum ich hier bin? Ich hab dich übrigens nicht angerufen, um mir
eine Gardinenpredigt anzuhören. Erstens wollte ich deine Meinung, zweitens
sollst du Michelle helfen, falls sie Hilfe braucht, und drittens … Ach
vergiss es!«
»Und
drittens ist dir mulmig. Also fahr wieder rein und hol jemanden!«
»Das
kann ich nicht, Paul. Ich hab es dir doch gerade erklärt! Falls es wirklich
dieser Perez Leibl ist, der mit Nina gesehen wurde, dann steckt sie bis zum
Hals in der Scheiße, und falls die Ähnlichkeit Zufall ist, weiß ich zumindest
jetzt, dass Leibl nicht da ist, wo er sein sollte. Also bitte, hör auf, mir
Vorwürfe zu machen. Ich geh jetzt da rein.«
»Sobald
du draußen bist, rufst du mich an, verstanden? Und hoffentlich hast du deine
Waffe dabei!«
Ohne
Antwort legte sie auf. Die Besorgnis von Holzapfel war nachvollziehbar.
Allerdings war er es gewesen, von dem sie gelernt hatte, sich
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