Judasbrut
was am Wochenende los war, nicht nur ein bisschen Ärger wegen deiner
Freundin.«
Maria
war Michelles unverblümte Art inzwischen gewohnt. Außerdem traf sie – wieder
mal – den Nagel auf den Kopf. »Können wir das vielleicht bei einem
Kaffee besprechen?«
»Aber
nicht die Plörre aus der Küche. Ich lauf schnell zum Bäcker und hol uns
welchen. Und wo ich grad schon mal da bin: Willst du auch was zu essen? Für
später vielleicht?«
»Weißt
du eigentlich, wie lieb ich dich hab?«, kicherte Maria. »Bis zum Bäcker und
zurück. Mindestens! Irgendetwas mit Tomaten und Mozzarella, bitte – und
was mach ich eigentlich, wenn du weg bist?«
»Selber
gehen«, grinste Michelle. »Tschö, bis gleich.«
Zuerst
erledigte Maria ein paar wichtige Telefonate und beantwortete die E-Mails, die
sich nicht aufschieben ließen. Der Rest ihrer Arbeit musste warten.
Von der
Kripo Ansbach erfuhr sie, dass am Samstag eine Frau in der Nähe des Internats
in Windsbach gesehen wurde, bei der es sich um Sara Eichmüller handeln könnte.
Laut Kripo Ansbach war Elias Eichmüller erkrankt und Maria fragte sich, ob Sara
davon erfahren haben könnte. Nur von wem? Von ihrem Onkel?
Cohen
saß in U-Haft, und wenn der ihr vorher geholfen hatte, könnte es sein, dass sie
allein auf sich gestellt nun unvorsichtiger wurde. Wer außer Leibl käme noch in
Betracht? Bislang hatte Maria den Bruder nicht beachtet, weil er in Israel
lebte.
Perez
Leibl war Sara Eichmüllers Zwillingsbruder. Die beiden waren gemeinsam in
Erlangen am Burgberg aufgewachsen, in der Villa, die nun Professor Leibl
bewohnte. Eine erste Abfrage der Datenbank brachte nichts über ihn zutage. Die
derzeitige Meldeadresse war der Athener Ring in Köln-Chorweiler, doch laut
Professor Leibl hielt er sich derzeit als Gastdozent für Molekularbiologie an
der George S. Wise-Fakultät der Universität Tel Aviv auf. Maria hatte mit ihm
telefoniert und einige E-Mails von ihm erhalten, in denen er sich nach dem
derzeitigen Ermittlungsstand erkundigte und sich besorgt um seine Schwester
zeigte.
Maria
sah auf die Uhr. Tel Aviv war eine Stunde voraus, also konnte sie jetzt gleich
versuchen, ihn anzurufen. Sie wählte Leibls Nummer und überlegte, was sie ihm
überhaupt sagen wollte. ›Guten Tag, Herr Leibl, waren Sie zufällig am Freitag
in Erlangen und kennen Sie Nina Langenbach?‹ kam nicht infrage. Sie würde ihn
einfach von Biancas Tod berichten und sich danach erkundigen, ob er von seiner
Schwester gehört hatte. Doch sie kam gar nicht in die Verlegenheit, etwas sagen
zu müssen, denn am anderen Ende ertönte eine zweisprachige Ansage, dass der
Anrufer leider nicht erreichbar sei. Keine Mailbox. Sie zögerte, bevor sie es
unter seiner Kölner Telefonnummer versuchte – auch
hier ging niemand ran.
»Da bin
ich! Die Kollegen sind übrigens ganz schön neidisch und lassen fragen, ob du
mich heute wirklich den ganzen Tag brauchst.« Michelle stellte einen großen
Pappbecher vor Maria hin und legte die Tüte daneben.
»Was
bekommst du?« Maria wollte in ihre Tasche greifen, doch Michelle winkte ab.
»Nächstes
Mal bist du wieder dran. Also, jetzt schieß los. Ich bin echt gespannt.«
»Das
ist keine offizielle Ermittlung«, warnte Maria. »Jedenfalls noch nicht.«
»Ich
bin ganz Ohr!« Herzhaft biss Michelle in eine Butterbreze und verdrehte
genüsslich die Augen. »Wegen dieser Dinger pass ich im Sommer bestimmt nicht in
meinen Bikini.«
»Dann
fährst du halt mit Fabian noch ein paar Mal in die Fränkische.«
»Oder
wir starten tatsächlich als Triathlon-Staffel. Ich hab mir die Website
angesehen, wär echt geil, da mitzumachen. Bestimmt finden wir noch jemanden,
der schwimmt.«
»Jaja,
später. Also beiß einfach noch mal ab, denn mit vollem Mund spricht man nicht.«
Maria erzählte Michelle ausführlich von Jens und Nina. »… und jetzt kommst du
und sagst mir, der Typ auf der Zeichnung sieht aus wie Perez Leibl. Irgendwie
seltsam, oder?«
Mit dem
spitzen Zeigefinger pikte Michelle gerade die letzten Krümel der Breze vom
Schreibtisch. »Krasse Sache« war ihr erster Kommentar, doch bevor sie noch mehr
sagen konnte, klingelte Marias Telefon.
Während
Maria telefonierte, winkte sie Michelle an ihren Bildschirm und deutete auf die
Adresse von Perez. Mit der Hand deckte sie den Hörer zu: »Leibl ist in Köln
gemeldet. Kennst du die Adresse zufällig?«
»Ach du
Schande!«, entfuhr es Michelle, als sie die Anschrift las.
Maria
beendete möglichst rasch das Telefonat.
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