Judasbrut
sie das Bild an
seinen Platz zurück stellte. »Danke, Professor. Ich will Sie nicht länger
stören. Es wäre gut, wenn Sie mich anrufen würden, sobald Sie etwas Neues
erfahren.«
»Selbstverständlich!«
In
diesem Moment klingelte Marias Handy. An der Nummer erkannte sie Michelle.
»Verzeihung«, sagte sie in Leibls Richtung. Sie nahm das Gespräch entgegen und
bat Michelle, in der Leitung zu bleiben. Der Abschied von Leibl fiel
dementsprechend knapp aus, denn Maria beeilte sich, aus dem Haus
herauszukommen.
»Bist
du schon fertig?«, fragte Michelle, als Maria das Handy schließlich am Ohr
hatte.
»Gerade
eben. Du hattest übrigens recht.« Maria dämpfte ihre Stimme und schlenderte
ohne große Eile den Kiesweg zurück in Richtung Straße. Sie wollte wissen, ob
Professor Leibl tatsächlich das Haus verlassen würde. Vielleicht konnte sie
sich noch ein wenig umsehen.
»Wusste
ich’s doch«, freute sich Michelle. »Also, hör zu. Internet macht’s möglich: Ich
habe Professor Leibl gegoogelt und ein paar Artikel von und über ihn in
gefunden. Vor allem in Fachzeitschriften. Ich habe zwar keine Ahnung, worüber
er da geschrieben hat, aber er scheint eine Koryphäe auf seinem Gebiet zu sein
und hat weltweit einen Namen. Er hat gute Beziehungen zur Uni in Tel Aviv und
selbst dort unterrichtet. Ein Bruder von Leibls Mutter – Levi
Cohen – ist nach dem Krieg mit seinen Eltern dorthin gegangen und hat
Meirs Oma geheiratet. Eine ziemlich große Sippe.«
»Gut
gemacht! Kein Wunder also, dass Perez Leibl angeblich dort sein soll.
Wahrscheinlich hat er gar nicht selbst angerufen. Der gute Professor weiß auch
irgendwas, da verwette ich mein Ciabatta drauf.«
Michelle
kicherte.
»Was
hast du noch?«, fragte Maria weiter.
»Mein
Bekannter in Köln kümmert sich, dauert aber mindestens bis heute Mittag.
Ansonsten überall Fehlanzeige wegen Perez – keine
Vorstrafen, nicht mal Ordnungswidrigkeiten oder Punkte in Flensburg, gar nichts.
Perez Leibls Weste ist so weiß, wie sie nur sein kann. Allerdings war er Mitte
der Achtziger kurzzeitig verheiratet. Ich tippe auf Jugendsünde, denn es hat
nur ein Jahr gehalten.«
»Aha«,
machte Maria desinteressiert und stieg ins Auto. »Wenn du sonst nichts
herausfindest, ruf doch Paul an, er … «
»Jetzt
warte mal«, unterbrach Michelle. »Ich bin noch nicht fertig!«
»Oh?
Also dann weiter.«
»Ich
hab die Adresse der Ex-Frau rausgefunden, die immer noch in Nürnberg wohnt, und
bei ihr angerufen. Allerdings dachte ich, es wäre vielleicht besser nicht zu
sagen, dass ich von der Kripo bin, deswegen habe ich ihr vorgemacht, ich sei
seit Kurzem mit Perez verlobt.« Sie betonte den Namen, als würde sie seinen
Träger anschmachten. »Ich sei extra wegen ihm von Köln hierher nach Erlangen
gezogen; dass ich Fränkin bin, hätte sie mir ja nicht abgenommen. Jedenfalls
fände ich ihn manchmal komisch, weil er nicht über seine Vergangenheit reden
wollte und so.«
»Wie
kommst du denn darauf?«, fragte Maria, schwankend zwischen einem Lachanfall und
Bewunderung für Michelles Erfindergeist.
»Keine
Ahnung, ich brauchte doch einen plausiblen Grund. Jedenfalls erzählte ich ihr,
ich hätte zufällig die Scheidungsurkunde bei uns in der Wohnung gefunden und na
ja, deswegen hätte ich sie einfach mal angerufen.«
»Und
das hat sie dir alles abgenommen?«
»Ha! Du
kennst meine schauspielerischen Qualitäten nicht«, sagte Michelle und verfiel
in tiefstes Kölsch. »Dat Mischelle hätt zwar nich janz so viel op der Pann, ewe
nur blond is se ooch nisch. Glücklicherweise hat sie mich nicht gefragt, woher
ich ihre Adresse und Nummer hab, da hätte ich dann auf dem Schlauch gestanden.
Die ist nämlich wieder verheiratet und trägt einen Doppelnamen. Ich hab
vergessen nachzusehen, ob man sie einfach übers Internet hätte finden können.
Aber so schlau war sie Gott sei Dank nicht.«
Maria
beobachtete weiter den Hauseingang. Leibl war immer noch nicht zu sehen.
»Ich
erspar dir die Details, aber halt dich fest: Perez Leibl war nach dem Abitur
zum Grundwehrdienst bei der Bundeswehr und hat anschließend Biologie und Chemie
hier in Erlangen studiert. Und jetzt kommt es – er hat
selten eine Vorlesung besucht und vor allem nie einen Abschluss gemacht! Er hat
von seinen Eltern alles hinten und vorn reingeschoben bekommen, sagt sie. Sie
hat ihn kennengelernt, während er in einem Fitnessstudio gejobbt hat. Eine Zeit
lang war er bei einem Sicherheitsdienst und hat sich irgendwann
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