Judassohn
entscheidend, dass ich besser bin als du und all meine Kräfte kenne, die mir als Judassohn zur Verfügung stehen.
Dominic lenkte sein Pferd raus aus dem Wald und galoppierte über die verschneite Ebene zu Metunovas verfallenem Palais. Ihm kam der Gedanke, dass Marek oder seine Spione auch von den Treffen mit der Baronin und Octavius wussten.
Nein. Das hätte er mir schon lange auf die Nase gebunden. Anscheinend war ich dabei stets aufmerksam genug.
In einiger Entfernung sah er ein Wolfsrudel, das in entgegengesetzte Richtung eilte und vermutlich dem verlockenden Geruch von Stalltieren folgte. Der Winter hatte in diesem Jahr bereits früh eingesetzt.
Dominic durchfuhr es. Die Loup-Garous hatte er schon lange vergessen – bis eben.
Meinetwegen können sie verschwunden bleiben. Ich sehne mich nicht nach ihnen.
Er erreichte das Heckenlabyrinth, das sich verschneit präsentierte und gleich einer weißen Wand in die Höhe reckte, bis es ans sternenklare Nachtfirmament stieß.
Wie immer stieg Dominic hier ab, band das Pferd an und nahm das Buch aus der Satteltasche. Er ging über den verschlungenen Pfad, quer durch den verwahrlosten Garten zum Turm, in dem Metunova gleich einer verwunschenen Prinzessin lebte; die Doggen ließen ihn schon lange in Ruhe.
Den Spuren im Schnee nach hatte sich Octavius bereits eingefunden. Dominic klopfte.
Der Murony, wie meistens in seine osmanischen Gewänder gekleidet, öffnete ihm. »Unser Lehrling, Baronin«, rief er die Stufen hinauf und bat ihn herein. Der Duft von Zimt, Anis und Nelken hing im Raum, es roch zudem nach Rotwein.
»Ich komme!«, gab sie von oben zurück. »Gib ihm etwas zu trinken, damit er auftaut.«
»Hat sie einen Untermieter?«, fragte Dominic und schaute sich um. Im einst leeren Raum standen jetzt ein Tisch mit vier Stühlen, ein kleines Schränkchen mit Geschirr und entlang der Wände Regale.
»Nein. Wir fanden es zu kahl.« Octavius ging zum Herd und nahm en passant einen Becher, goss eine Kelle voll aus dem Kessel hinein und stellte ihn auf den Tisch. Mit dem Schürhakenhebelte er die Befeuerungsplatte vom Ofen, damit die Flammen frei loderten. Dominic legte derweil ab und zog das Buch hervor, setzte sich.
»Er hat etwas mitgebracht«, rief der Murony nach oben, damit Metunova ihn hörte. Die helle Stimme schmerzte in den Ohren. »Ein italienisches Buch.« Octavius streckte die Hand aus, die stechenden Blicke bohrten sich in Dominics Verstand.
Der Glatzkopf meint es nicht böse, es liegt einfach in seiner Art. Selbst wenn er wollte, kann er die unangenehme Eigenschaft nicht ablegen.
»Darf ich reinschauen?«
»Die Baronin sollte es zuerst sichten«, lehnte Dominic freundlich ab.
»Sicherlich.« Octavius setzte sich neben ihn. Sie warteten, Gewürzwein schlürfend, bis Metunova erschien.
An den Schritten auf der Treppe hörte Dominic, dass sie sich langsamer bewegte als sonst. Sobald er ihre faltigen Finger, in denen sie vier dicke Bücher hielt, und die gealterten Züge sah, verstand er, warum: Die Baronin hatte einen neuerlichen Schub erlitten. Sie wirkte inzwischen wie eine Greisin von achtzig Jahren.
»Madame«, sagte er entsetzt und erhob sich, um ihr seinen Arm als Stütze anzudienen. Ohne die erhaltenden Elixiere, die sie früher genommen hatte, verging die Lebenskraft der Vampyrin immer rascher. Sie hatte die Existenzdauer einer Judastochter bereits um etliche Dekaden überschritten.
»Bleib sitzen, Dominic«, wehrte sie ab. Ihr Atem rasselte laut und übertönte das Rascheln ihres grauschwarzen Kleids. »Noch kann ich alleine laufen. Aber wir sollten uns mit dem besonderen Unterricht beeilen. Lange wird es nicht mehr dauern, bevor ich vergehe.«
Einen Vampyr mit dem Tode ringen zu sehen, dem mehr oder weniger natürlichen Tode, machte Dominic betroffen. Octavius wirkte nicht weniger bestürzt.
»Oh, spart euch die Mienen bis zu meiner Trauerfeier«, sagte Metunova und versuchte ein Lachen, das zu einem Husten wurde. Sie kam auf den Tisch zu und spuckte einen roten Klumpen ins Herdfeuer, der zwischen den glühenden Holzstücken verdampfte. »Meine Lunge zerfällt bereits. Ich verfaule von innen nach außen, wie mir scheint. Die Gifte, die ich einst braute, um mein Dasein zu verlängern, zersetzen mich nun. Ich werde bald nicht mehr sprechen können.« Sie setzte sich neben Dominic, krachend ließ sie die schweren Bücher auf den Tisch fallen, die Gewürzweinbecher hüpften. »Was hast du da für ein Werk?«
Er schlug die Seite mit dem
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