Judassohn
Mal auf. »Hier. Es ist das Mal der Kinder des Judas«, sagte er aufgeregt und versuchte, die Ängste und Sorgen um die Baronin zu verdrängen. Er fürchtete, dass sie sterben würde, ehe sie gemeinsam weitere Erkenntnisse über den Dämon erzielt hatten. Octavius traute er das nicht zu.
Metunova überflog die Stelle, rieb sich die Augen und las erneut. Dieses Mal langsamer und aufmerksamer. »Mein Italienisch ist nicht das beste, und das hier ist dazu noch sehr gestelzt und falsch geschrieben«, begann sie nach einer Weile. »Doch ich denke, dass du fündig geworden bist.« Sie zeigte auf das Bild, dann auf die Buchstaben daneben. »Hier steht:
Das Signum Botis
Des Dämons Zeichen, dessen Name sei Botis, wird sichtbar bei all seiner Dienerschaft, gleich welcher Spezies sie angehören und von welcher Schreckgestalt sie seien.
Nicht wegzubrennen, nicht herauszuschaben, zu schneiden oder zu kratzen, mit nichts zu lösen.
Nimm es als Indicatorium für das Böse, das in diesem Wesen haust.
Möchtest du sichergehen, dass es zur Dienerschaft des Dämons gehört, so schneide das Gliedmaß nötigenfalls aboder die Stelle tief heraus. Du wirst sehen, dass es sich sogleich an einem anderen Ort am Leib wiederfindet.
Das Signum Botis ist nicht auf diese Weise zu löschen.
Botis ist ein großer Präsident und ein Graf.
Beim Anblick erscheint er in der Gestalt einer hässlichen Viper. Dann, auf Befehl des Magiers, nimmt er menschliche Form mit großen Zähnen und zwei Hörnern an, und er trägt ein glänzendes, scharfes Schwert in der Hand.
Er erzählt alle vergangenen und kommenden Dinge und verhöhnt Freunde wie Feinde. Er regiert sechzig Legionen Geister, und sein Siegel sei dies.«
Darunter war ein Symbol abgebildet: ein Kreis, der wiederum ein Viereck umschloss, das an der unteren linken Seite offen war. An den vier Ecken saßen wiederum vier kleine Kreise, und im Quadrat befanden sich drei Symbole, die an Kreuze erinnerten.
Oder Dolche.
Metunova blätterte im Buch herum. »Das ist das einzige Mal, welches sie …« Sie hielt inne. »Nein, hier sind noch mehr.« Sie schob es Octavius hin. »Ich kenne dein Zeichen nicht, das du am Leib trägst«, sagte sie zu dem Hünen. »Sieh selbst nach, ob dein Herr dabei ist.«
Dominic hatte bei den ersten Worten der Baronin freudig Feder, Tinte und Papier aus seinem Mantel gezogen und die Worte zu Botis mitgeschrieben. »Sechzig Legionen Geister. Das bedeutet, dass der Dämon nicht nur Vampyre als Dienerschaft haben kann«, sprach er nachdenklich, und ihm wurde warm. Neue Erkenntnisse schufen Zuversicht. »Und dass man ihn herbeirufen kann. Es war die Rede vom
Befehl des Magiers
.«
Ob es mir gelingt? Wie verhandelt man mit einem Dämon? Oder wie bringe ich ihn dazu, meinen Willen zu erfüllen? Waskönnte er zum Tausch verlangen? Eine unschuldige Seele? Hunderte? Tausende?
»So verstehe ich es auch. Und es wundert mich nicht. Ich wette, dass die Wandelwesen ebenfalls ihre Male haben. Oder jegliche anderen dämonischen Wesen.« Metunova lächelte. »Nun wissen wir, wohin unsere Seele fährt, wenn wir sterben. Botis. Immerhin ist er mächtig. Es würde mir nicht gefallen, in der Hölle einem Schwächling zu dienen.«
Dominic war von dem Gedanken beseelt, den Dämon zu sich zu rufen.
Es müssen Hinweise dazu in dem Buch geschrieben stehen.
»Wisst Ihr, wie ich die Anrufung herausfinde?«, fragte er zuerst Metunova, und als sie zu seiner Enttäuschung stumm den Kopf schüttelte, sah er den Murony an. Eben noch hatte er sich vom Wind der Zuversicht zu neuen Taten getragen gefühlt, nun stürzte er haltlos ab. »Ihr doch gewiss, oder? Ihr wart doch zu Lebzeiten ein Hexer!«
Sag nicht nein! Vernichte meine zarte Hoffnung nicht!
»Nein, Dominic, ich beschäftigte mich nicht mit Geistern und Dämonen. Damit kann ich keine Münzen verdienen.« Octavius klappte das Buch zu. Die Geste bedeutete offenkundig, dass die Suche nach einem Ausweg vom Pakt für ihn erledigt war. »In dem Buch war von einem
Magier
die Rede, der Botis anrufen kann, nicht von einem Hexer. Ein wichtiger Unterschied.«
Dichter dran als jemals zuvor!
»Verdammt!«, stieß Dominic aus und hätte seinen Dolch am liebsten durch das Buch gerammt. »Wir haben doch einen Ansatz und sogar den Namen des Dämons gefunden! Wir wissen, wer er ist und dass man ihn herbeizwingen kann.« Er raufte sich die Haare.
Ich will nicht aufgeben!
Metunova tippte gegen den Einband des unteren Wälzers. »Ich habe etwas
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