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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sagte sich das Volk. Und so wurden alle geduzt, gleich welchen Standes sie waren oder ob man sich mochte oder nicht. »Ich habe doch allen Grund, nicht wahr? Ich habe dir gutes Geld bezahlt, Gold- und Silbermünzen, damit du meine
tortue
baust! Und ich warte schon viel zu lange darauf!«
    Brieux lachte und zeigte auf das Gebilde, über dem ein Tuch hing. »Immer mit der Ruhe.« Sie hatte es für ein Weinfass gehalten. »Die Mechanik machte mir die meisten Probleme. Ob es wirklich dicht ist, wirst du erst sehen, wenn du es zu Wasser gelassen hast. Aber ich schwöre, dass ich alle Nähte und Spanten dreifach mit Teer und Pech behandelt habe. Innen und außen. Du erstickst eher an dem Gestank.« Er nahm sie am Arm, geleitete sie zum verhüllten Unterwasserboot und zog die braunfleckige Segeltuchplane herab. »Voilà! La
tortue!
«
    Mein Gefährt zu Anjanka!
    Sandrine strahlte. Das Boot sah genauso aus, wie es auf der Zeichnung abgebildet gewesen war: ein großes Fass mit Schaufelnsowie einem Ruder am Ende und vorne zwei gläsernen Einsätzen, damit sie sah, wohin sie unter Wasser fuhr.
    Es wird mich an mein Ziel bringen! Ich weiß es!
    »Sehr gut, Monsieur Brieux! Man kann sich auf dich verlassen – sofern man Zeit hat.« Sie sprang aus dem Stand hinauf, öffnete die Luke und ließ sich hineingleiten.
    Die Erfüllung meines Traums und der Zugang zu einer besseren Zukunft mir ihr!
    Sandrine saß regungslos, ließ die
tortue
auf sich wirken. Es war eng und stickig im Innern, zwei Halterungen für Kerzen waren neben dem kopfgroßen Kompass angebracht. Die Ausdünstungen von Teer und Pech stellten ihr die Luft ab. Sie untersuchte die Nähte. »Leuchte von außen mit einer Blendlaterne«, rief sie hinaus.
    »Sehr wohl«, gab er zurück. Am Lichtschein durch Luke und Bullaugen sah sie, dass Brieux mit dem Licht um das Unterwasserboot marschierte. Aber die Strahlen offenbarten keinerlei Schlitze, durch die das Wasser sickern konnte. »Danke«, rief sie. »Es scheint dicht zu sein.«
    »Das denke ich auch«, antwortete er lachend. »Ich muss dir nicht erklären, wie es funktioniert, oder?«
    »Nein. Du hast die Pläne von mir bekommen, Idiot«, murmelte sie und prüfte die Stabilität der Pedale, mit der die Schrauben angetrieben wurden. Alles saß fest und wackelte nicht.
    Er ist sein Geld doch wert.
    Sandrine kletterte hinaus und blieb obenauf sitzen. Sie fühlte sich aufgekratzt und mit Tatendrang angefüllt. Am liebsten wäre sie sofort in See gestochen. »Sehr gut, Monsieur Brieux.« Sie langte in die Umhängetasche und nahm das Säckchen mit dem ausstehenden Lohn heraus. »Bitte sehr. Auch wenn niemand mehr etwas von Königen wissen will, nehme ich nicht an, dass du goldene Louisdor verschmähst.«
    »Da werde ich glatt zu einem Royalisten. Ich scheiße auf dieAssignaten.« Er fing es auf und steckte es unter die Schürze. »Den Karren, mit dem man die
tortue
transportiert, habe ich dir auch angefertigt, wie versprochen. Er steht hinter der Werkstatt. Du brauchst ein Pferd zum Einspannen.«
    »Sehr gut.« Sie sprang auf den Boden, mitten in die Sägespäne, und ging durch den wirbelnden Holzstaub zum Tisch. An der Wand davor hingen die Konstruktionspläne, die sie einen nach dem anderen abnahm und einsteckte. Dabei fiel ihr auf, dass die Linien eingedrückt waren.
    Jemand hat sie nachgezogen!
    »Du hast über mein Gefährt geschwiegen, wie wir es vereinbart hatten?«
    »Sicher, Mademoiselle.« Brieux verschränkte die Arme vor der Brust. »Was machst du mit dem Unterwasserboot?«
    Er versucht abzulenken. Gut, dann tue ich so, als gelänge es ihm.
    »Ich bin Forscherin«, erwiderte Sandrine, »und will neue Fischsorten aufspüren. Das Gefährt wird mir dabei helfen.«
    »Wäre es nicht einfacher, sie mit Netzen zu fangen?« Er pochte gegen die hölzerne Hülle. »Damit wirst du nicht schnell genug sein, um ihnen zu folgen. Und wenn dich ein Wal frisst?«
    Sie lachte. »Das passiert schon nicht.«
    »Die Geheimnistuerei ist trotzdem …«
    »Es gibt Kollegen, die liebend gern auch so etwas hätten, um mir zuvorzukommen. Das ist alles.« Sandrine mochte den Ausdruck in seinen wässrig blauen Säuferaugen nicht. »Damit wir uns verstehen, Brieux: Du hast deinen Lohn für Arbeit und Schweigen bekommen.«
    »Sicher, Mademoiselle.« Er grinste. »Sicher.«
    Das glaube ich dir nicht.
    Sie nickte und ging zum Hinterausgang, wo der Karren stand. »Wie bekomme ich die
tortue
drauf?«
    »Mit der Winde«, rief Brieux. »Warte, ich

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