Judastöchter
von Kastell? Was macht ihn so gefährlich?« Boída sah, dass Moroda nicht übertrieb.
»Sie verarschen mich!«
Boída schüttelte den Kopf und zog den Schal leicht nach unten. »Tue ich nicht. Mir sagt der Name nichts.«
»Woher kommen
Sie
denn? Oder andersherum gefragt: Wo waren Sie die letzten Jahre?«
Das konnte ihm Boída wirklich nicht sagen, und selbst wenn, würde er es ihr nicht glauben. Daher beschränkte sie sich darauf, ihn auffordernd anzuschauen.
»Eric von Kastell und sein Vater waren Wandlerjäger, die selbst den Keim der Bestie in sich trugen«, berichtete Moroda. »Wolf, soweit ich weiß, aber eine ganz besondere Spezies, die sich mit nichts vergleichen lässt. Sie haben mehr als hundert von uns erledigt, die genaue Zahl kenne ich gar nicht. Ein sehr eingespieltes, tödliches Team.« Er sah hinaus zu den Fähren, die auf und nieder tanzten. Auf dem Meer schien ein Sturm zu toben. »Aber auf Dauer hatten sie sich zu viele Feinde gemacht. Den Alten haben sie fertiggemacht und die Villa der Familie gesprengt. Eric von Kastell lieferte sich eine Schlacht mit osteuropäischen Wandlern, dann tauchte er noch mal in Frankreich auf, und danach hat sich seine Spur verloren. Alle glaubten, es hätte ihn erwischt.« Moroda sah Boída an. »Ich habe gedacht, mich trifft der Schlag, als ich ihn sehe!«
Boída fand es gar nicht verwunderlich, dass dieser Deutsche in Irland auftauchte. Nachdem IRA -Mike mit seinem Anschlag auf den Rí der BlackDogs gescheitert war, wollten die Hintermänner vermutlich auf Nummer sicher gehen und hatten sich einen Profi kommen lassen. »Woher kennen Sie ihn?«
»Kastell?« Er lachte bitter. »Ich war ein paar Jahre in Deutschland unterwegs, habe in Pubs gespielt.«
»Wie jeder zweite Ire«, warf sie amüsiert ein.
»Wir sind eben ein musisches Volk. Als ich eines Abends mit meinem Cousin Jack aus dem Laden raus bin, hat er uns aufgelauert und Jack fertiggemacht. Mein Cousin hatte mir nicht gesagt, dass er sich ab und zu mal Menschenfleischhappen gegönnt hat. Dilettantischer konnte man Morde nicht vertuschen, und das hat Kastell auf den Plan gerufen. Die Wunden waren zu charakteristisch.«
»Und warum leben Sie noch, wenn er so gut ist?«
Moroda senkte den Blick. »Ich … bin weggerannt. Schneller als der Teufel bin ich gerannt und nicht stehen geblieben, bis ich keine Schritte mehr hinter mir gehört habe.« Er schwieg sekundenlang, schauderte und betrachtete die Regentropfen, die gegen das Glas trommelten. »Deswegen bin ich mir sicher, dass es von Kastell ist, den ich gesehen habe. Ich war ihm verdammt nahe«, raunte er.
Boída glaubte ihm. Sie roch seine Angst. »Er hat Sie nicht erkannt?«
»Nein. Ich habe mir fast in die Hosen geschissen und mich auf dem hintersten Fleckchen der Fähre versteckt. Dann habe ich Sie angerufen.« Er sah sie an und nickte. »Wenn ihn jemand kaltmachen kann, dann Sie.«
Boída lächelte. »Danke sehr.« Hätte sie geahnt, wie wichtig und gefährlich Kastell war, wäre sie eher in Dublin angekommen. Jetzt fuhr dieser Kerl in Irland durch die Gegend und machte Jagd auf sämtliche Wandler, die er vor die Mündung bekam. »Er braucht vermutlich Mittelsmänner, die ihm Waffen verschaffen«, dachte sie laut nach. »Was für ein Auto fährt er? Mietagentur?«
Moroda nahm ein fleckiges Blöckchen hervor, auf das er etwas aufgeschrieben hatte. »Es muss sein Wagen gewesen sein. Das Nummernschild war zwar ein englisches, aber es hing schief in der Befestigung. Er wird es gestohlen und montiert haben, denke ich. Inzwischen hat er bestimmt ein irisches. Ein BMW , X6, schwarz, der einzige auf der Fähre«, erklärte er. »Er hat Beulen im Kotflügel, im rechten Spoiler, hinten links und einen langen Kratzer in der Stoßstange.«
Boída nahm die Beschreibung entgegen. »Damit kann man ihn finden. Sehr gut, Moroda. Ich denke, dass Ihre Meldung mit größtem Wohlwollen aufgenommen werden wird.«
»Scheiß auf das Wohlwollen. Knipst den Typen aus, bevor er mich erkennt«, brummelte er und drückte die Tür der Telefonzelle auf. »Oder denken Sie, er will Ferien bei uns machen?« Er zog eine Mütze aus dem Overall und setzte sie auf. Ein dürftiger Schutz gegen den Regen.
Sie zuckte mit den Achseln. »Wer weiß?«
»Machen Sie ihn trotzdem fertig.« Moroda rannte durch den Schauer zurück in eine nahe Halle.
Boída zischte ungehalten. Kaum war eine Angelegenheit geregelt, tauchte die nächste Schwierigkeit auf. Eric von Kastell kam bestimmt
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