Judastöchter
Wagen noch mehr aufgefallen, aber er verzichtete nicht auf sein Gefährt. Dafür kannte er den X6 zu gut und konnte sich auf seine Stärken verlassen.
Dann schlendere ich ein wenig umher.
Eric parkte den BMW , stieg aus und zog sich vorschriftsmäßig ein Ticket. Er legte es sichtbar auf das Armaturenbrett, bevor er loslief.
Wicklow war eine pittoreske Stadt, wunderschön gelegen und dazu geschaffen, seinen Sommerurlaub dort zu verbringen. Im Februar war das Wetter eher feucht. Iren würden sagen, dass die Luft wasserhaltig war, der Umstand als solcher aber nicht der Rede wert.
Ich wette, dass es in den späteren Monaten sehr beliebt bei Touristen ist.
Eric war ziemlich einsam unterwegs. Die Wicklower zogen es vor, in ihren Häusern zu bleiben, und die Geschäfte hatten noch nicht geöffnet.
Am Hafen fand er endlich eine gemütliche Teestube, in der er sich niederließ und einen
Irish breakfast tea
bestellte, der sich als eine brutale Schwarzteemischung erwies, die wahrscheinlich Tote zum Leben erweckte und auch den weißesten Zahn mit dem ersten Schluck dunkler färbte.
Er sah auf sein Handy.
Keine Anrufe. Allmählich sollte sie angekommen sein.
Die Fahrt mit dem U-Boot war sicherlich ein Wagnis, aber die einzige Möglichkeit für Sarkowitz, die Insel zu erreichen.
Dafür hatte er eine SMS von seiner Halbschwester bekommen, die ihn mal wieder dringend sprechen musste.
Diese Nachrichten hatten bislang immer bedeutet, dass sie Geld brauchte. Eric hatte keine Lust auf ein Gespräch mit ihr.
Weil die Bedienung sich so nett um ihn kümmerte, bestellte er ein
full Irish breakfast.
Wo Vegetarier schreiend die Flucht ergriffen hätten, fühlten sich echte Kerle wie zu Hause: gebratene Leber- und Blutwurstscheibchen, gegrillte Würstchen, Eier, Speck, weiße gebackene Bohnen, dazu frisch-knusprigen Toast und die herbsüße Orangenmarmelade, wie es sie nur in Irland und England gab.
Wie erfreulich, dass die Ernährungsberater nicht bis hierher gelangt sind.
Eric ließ sich das Essen schmecken, ohne das Handydisplay aus den Augen zu lassen, und warf immer wieder einen kurzen Blick nach draußen. Die Regenschauer gingen dick wie Bindfäden nieder, der Wind packte sie und malte damit Muster aufs Pflaster, die gleich wieder verschwanden. Jetzt sah er gar keine Iren mehr auf der Straße.
Nachdem er alles aufgegessen hatte und sich reichlich satt fühlte, nahm er sein Navigationsgerät aus der Tasche und gab die Adresse von Brian Baker ein, um zu sehen, wo genau in Wicklow der von ihnen gesuchte Mann wohnte.
Moderne Technik ist ein echter Segen.
Das Haus lag gar nicht weit vom Hafen entfernt, und er überlegte, ob er schon mal einen ersten Blick riskieren sollte. Doch im Vergleich zu einem normalen Iren war er schon sehr groß und würde dadurch auffallen; dazu musste er seine Garderobe tauschen.
Ein paar gute Wanderklamotten wären nicht schlecht. Wanderer gibt es immer, zu jeder Jahreszeit.
Das Navigationsgerät verriet ihm, wo es die nächsten Einkaufsmöglichkeiten gab.
Eric bezahlte und verließ die Teestube, machte sich durch den nachlassenden Regen auf zu dem Laden. Dort angekommen, besorgte er sich einige für ihn sehr untypische grüne Hosen, karierte Hemden plus tarnfarbener Windjacke, die ihn in einen waschechten Wandertouri verwandelten. Zufrieden marschierte er eine halbe Stunde später zum Hafen zurück, um sich in der gemütlichen Teestube noch ein Kännchen zu gönnen, bevor er aufbrechen wollte.
Als er sich dem Pier näherte, sah er, wie ein Trawler namens
Passage
einlief und sich eine kleine Menschenmenge auf der Mauer versammelte. Einheimische und eine Handvoll Touristen.
Zuerst hatte Eric weitergehen wollen, aber mitten zwischen den Wartenden befand sich Baker! Dem äußeren Erscheinungsbild nach schien er zu den Fischern zu gehören.
Sollte es ein Geschenk des Schicksals sein, dass ich ihn hier treffe?
Eric pirschte sich ran, stellte sich unauffällig dazu und lauschte, was die Männer wütend besprachen: Es ging darum, dass sich vermutlich ein Mini-U-Boot im Netz verfangen und die Ausbeute des Tages mit sich gerissen hatte. Wo es abgeblieben war, wusste niemand, aber alle verdächtigten die »beschissenen, hirnlosen Umweltschützer« eines Sabotageaktes wegen der Diskussion um Fangquoten. Eine entsprechende Aktion war von einer Organisation namens
Noverfishing
angekündigt worden.
Eric wusste genau, wer im U-Boot gesessen und gerade ein unglaublich großes Problem am Hals hatte.
* *
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