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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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plötzlich eine Wand aus Silber. Eine Wolke aus hektischen Fischen flog auf sie zu und teilte sich vor ihr. Für mehrere Sekunden befand sich Sia zwischen Unmengen von zappelnden, schuppigen Leibern, ohne dass die Tiere das Boot berührten. Der Anblick im Scheinwerferlicht war faszinierend und gleich darauf wieder Vergangenheit.
    Das war also das Signal.
Sia sah dem Schwarm mit einer schwenkbaren Kamera hinterher.
Wahnsinn! Wie schnell sie manövrieren können, ohne …
    Plötzlich ging ein Ruck durch ihr Gefährt. Es verlor seine ursprüngliche Richtung, als wäre es in eine Strömung geraten.
    »Scheiße!« Sia drehte am Joystick und versuchte, das Boot auf Kurs zu bringen, aber es brachte nichts. Sie wurde auf dem Sitz durchgeschüttelt, dann rollte das U-Boot zur Seite und drehte sich um die eigene Achse.
Was soll das? Wieso …
    Als sie auf den Monitor blickte, wusste sie, was ihr geschehen war: Maschen aus dünnen Nylonfäden zeichneten sich ab, in denen Reste von Dreck und Tang hingen.
    Ein Netz!
Sie musste ins Schleppnetz eines Fischtrawlers geraten sein, der sie aufgesammelt hatte und einfach mitzog, als wäre das U-Boot ein fetter, kleiner Wal.
    Jetzt war die Panik wieder da! Sia fürchtete sich davor, dass die Mannschaft beschloss, das Netz zu bergen, um den Fund zu betrachten.
Oder sie kappen die Leinen, um zu verhindern, dass der Trawler absäuft!
    Die Wände kamen auf sie zu, ihr wurde schwindlig. Mit aller Macht kämpfte sie gegen den Drang an, die Luke über ihrem Kopf zu öffnen und hinauszuflüchten – denn draußen wartete der nasse Tod auf sie.
    Was wird geschehen, wenn das Gefährt die Oberfläche durchbricht?
Konnte der Fluch sie auf der Stelle töten? Was wurde dann aus Elena und Emma?
    Was tue ich?
Sia schrie ihre Angst laut hinaus, klammerte sich an den Sitz, um nicht auf die Kontrollen einzuschlagen. Ihre Fänge waren unwillentlich ausgefahren, die Furcht fraß jeglichen vernünftigen Gedanken. Zum Abwarten verdammt, rüttelte sie an ihrem Sitz, der unter ihrer Kraft ächzte und quietschte.
    Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr: Der Tiefenmesser registrierte, dass sie an Höhe gewann! Der Trawler zog sie unaufhaltsam nach oben, dem Sterben entgegen.
    »Nein!«, kreischte sie und verlor jegliche Beherrschung. Wie von Sinnen riss und zog sie an den Kontrollen, löste Dinge aus, die sie nicht verstand, flutete die Ballasttanks.
    Mehrere Warnlampen leuchteten auf, ein Pfeifen erklang. Die Anzeige des Tiefenmessers war zum Stehen gekommen. Knappe elf Fuß trennten sie von der Oberfläche.
    Geschafft!
Sia lachte hysterisch auf.
Das Boot ist mit Sicherheit von außen zu erkennen. Ich könnte ihnen Lichtzeichen geben, damit sie mich …
    Dann ging es abwärts, und zwar sehr schnell.
    Die Leine ist gekappt. Sie haben das Netz aufgegeben!
Jetzt zog es das Gefährt mit vollen Ballasttanks und dem Gewicht des Netzes dem Meeresgrund entgegen.
    Ich wusste, dass es eine beschissene Idee war.
Sia fauchte und versuchte Kurvenmanöver, um das lose Netz von der Außenhülle abzuschütteln, aber das U-Boot gehorchte ihr nur sehr träge, so gut wie gar nicht.
    Unaufhörlich ging es abwärts.
    Für Sia begann die spannende Frage, wie viel Druck das Boot aushielt.
Ich muss mich aus diesem Netz befreien, sonst endet meine Existenz tief unten, auf dem Boden der See.
Sias Finger flogen über die Kontrollen. Sie ließ das Wasser aus den Tanks pressen, Blasen wirbelten vor der Kamera und raubten ihr die Sicht.
Gut, ich werde langsamer! Jetzt muss ich …
    Da gab das Sonar wieder den verhassten Laut von sich: Dieses Mal näherte sich das U-Boot bei seinem schnellen Abtauchen einem Hindernis, das von unten auf es zukam.
    Als die Bläschen sich vor der Linse verzogen hatten und Sia wieder etwas erkennen konnte, erschien unter ihr ein Plateau und im Anschluss eine Bruchkante, von der es steil abwärtsging.
    Der Aufprall war unvermeidlich.
    * * *

5. Februar, Großbritannien,
Republik Irland, Wicklow, 09.00 Uhr
    Man könnte direkt Urlaub in der Gegend buchen.
Eric fuhr gemütlich durch Wicklow und sah sich um. Die Lage sondieren, nannte er das.
Leider weiß ich um die hässlichen kleinen Geheimnisse.
    Er hatte schon unterwegs feststellen müssen, dass sein X6 Blicke auf sich zog, wobei er nicht wusste, ob es wegen des Drecks und der Schrammen war oder wegen des Modells als solches. Irische Nummernschilder hatte er bereits zwischendurch abmontiert und sie bei seinem Wagen angeschraubt. Ohne sie wäre er mit dem

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