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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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lange Stiefel. Die Hände hatte sie in den Taschen vergraben und drückte sich in den Türrahmen, um mehr Schutz vor dem Wind zu bekommen.
    Woher wusste sie, dass ich jetzt komme?
Justine näherte sich ihr und machte keinen Hehl daraus, dass sie zu ihr wollte. »Bonjour«, grüßte sie und streckte die Hand aus. »Bin ich richtig bei der Winterresidenz des Ard Rí?«
Bitte, bitte, erkenn mich nicht!
    De Cao stieß sich dynamisch wie eine Straßenkämpferin von der Tür ab und begutachtete sie. »Die Legende von Gévaudan«, gab sie rauchigfauchend zurück. »Ich habe Sie mir anders vorgestellt.«
    »Anders?«
    »Bestialischer. Für jemanden, der sich rühmt, die Ahnin eines derartigen Killers zu sein.«
    »Ich habe mich für Sie rasiert. Sogar die Beine.« Justine ließ sich nichts anmerken.
    »Kommen Sie.« De Cao zeigte nicht, ob ihr der Witz zugesagt hatte, öffnete die Tür und ließ ihr den Vortritt; ein Schwall warmer, tabakgeschwängerter Luft quoll heraus. »Die Treppe runter, bitte.«
    Justine blieb hochaufmerksam, doch erlaubte sie sich, etwas von ihrer Aufregung zu verlieren.
Anscheinend erinnert sich die Wandlerin doch nicht an mich.
Vor ihr standen vier schwerbewaffnete Männer, die ihr Platz machten, damit sie die Stufen abwärtsgehen konnte. »Aha, die Garde des Hochkönigs.«
    »Oenach«, verbesserte de Cao hinter ihr, während sie nach unten stiegen. »Die besten Krieger der BlackDogs. Wegen des Deutschen sind alle nervös. Er ist leider gut, wie Sie schon bemerken mussten.«
    »Schade um Barnaby, den alten Zottel! Kastell muss dafür bezahlen.« Justine hatte den Boden erreicht und wartete, dass de Cao an ihr vorbeimarschierte.
Hätte ich noch ein bisschen grollen sollen, um glaubwürdiger zu sein?
»Wohin?«
    »Rechts, bitte.« Sie ging voran und öffnete das Zahlenschloss neben einer Stahltür. Es gab ein leises Klicken, der Eingang öffnete sich. Dahinter erstreckte sich ein Gang, an dessen Wänden in regelmäßigen Abständen Lampen angebracht waren. Justine hatte begriffen, dass ihr Treffen nicht in diesem Haus stattfinden würde.
    Schweigend gingen sie durch ein Labyrinth von Gängen und Kellern.
    Mehr als eine halbe Stunde verbrachten sie mit dem Umherwandern unter Belfast, bis sie wieder Stufen nach oben nahmen und durch eine weitere mit Zahlenschloss gesicherte Stahltür traten. Dahinter warteten unüberraschenderweise Bewaffnete. Schrotgewehrmündungen wurden auf Justine gerichtet.
    »An die Wand, Wandlerin. Wir wollen sehen, ob du Waffen dabeihast«, sagte de Cao.
    Justine drehte sich um, spreizte Arme und Beine. Plötzlich war die Aufregung wieder da. Hände fuhren routiniert an ihr entlang, tasteten und suchten, ohne etwas zu finden. Sie hatte absichtlich auf Pistolen verzichtet und sie im Wagen gelassen.
    »Okay, sauber«, meldete einer der Männer.
    »Warum sollte ich etwas mitschleppen?« Justine wandte sich de Cao zu. »Umbringen will ich den Ard Rí nicht.«
    Dieses Mal musterte die Schlangenwandlerin sie länger, und es schien, als würde sich in ihr eine Erinnerung regen. »Nein, das wollen Sie nicht«, sagte sie zischend. Für eine Sekunde schienen ihre Augen geschlitzte Pupillen zu haben, ehe sie dunkel wie ein See bei Nacht wurden. »Sie sind aus dem Gévaudan, oder wo haben Sie in Frankreich gelebt?«
    Merde. Sie ahnt etwas.
»In Paris. Danach mal hier, mal da. Meistens kam es mir vor wie in der Hölle, wenn ich nicht in einer größeren Stadt leben durfte.« Sie nahm ihre Zigarillos und steckte sich einen davon an. »Das Land ist nichts für mich. Abgesehen von einem Urlaub.«
    »Sie sehen auch sehr mondän aus.« De Cao ging voraus und trat durch eine lederbespannte Tür. »Kommen Sie. Der Ard Rí wartet auf Sie.«
    Sie machte zwei Schritte vorwärts und befand sich in einem Raum, der sie an ein Museum für Vor- und Frühgeschichte erinnerte. Vitrinen mit kleinen Statuen, alten Werkzeugen, Vasen und Scherbenresten füllten das hohe Zimmer. Am breiten Fenster stand ein Schreibtisch. Darauf lagen verschiedene Exponate auf einem Tuch, dazu eine Ansammlung von Lupen, ein Notizblock sowie Bleistifte. Bewaffnete Männer verharrten wie Statuen rechts und links davon, ein dritter befand sich außerhalb des Gebäudes, vor der Scheibe, und blickte in den anschließenden Garten, der von einem Fachmann angelegt worden war.
    De Cao deutete nach links. »Dahin.«
    Ich muss bislang alles richtig gemacht haben. In diesem Raum würden sie mich nicht umbringen. Hat meine kleine

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