Judastöchter
Schwesternschaft.
Justine hatte den aus einer Gasflasche und anderen zweckentfremdeten Zubehörteilen gebastelten Flammenwerfer weggelegt und trug eine zur Schnellfeuerpistole umgebaute Beretta sowie eine Desert Eagle in den Händen. Das Hantieren mit Feuer und Gas war ihr zu gefährlich. Die schmerzhaften Silberflitterstückchen lagen harmlos am Boden, ihre Sohlen zerrieben sie. Das war ungefährlich, doch echter Körperkontakt würde ihr Schmerzen und Verbrennungen bescheren; vor Mund und Nase trug sie eine Staubschutzmaske.
Hoffen wir, dass kein Wind aufkommt. Ich hätte mir einen Imkeranzug besorgen sollen.
Justine trabte auf den
TeaRoom
zu, durch den Eric und Sia verschwunden waren. Nach wie vor hörte sie keine Polizei. Wer auch immer ihnen den Rücken freihielt, er hatte gute Verbindungen.
Sie hatte den Durchgang beinahe erreicht, als zwei irische Wolfshunde vor sie sprangen und ihr das Weiterkommen verwehrten. Ihre Pfoten trafen exakt die Stellen, an denen keine Silberblättchen lagen; aus roten Augen wurde sie angefunkelt.
Merde!
»Alors, aus dem Weg, mes copains, oder ihr endet in der Abdeckerei«, sagte sie gelöst. »Ich habe was vor, und ihr seid mir im Weg.« Hinter ihr erklangen Schritte, aber sie tat demjenigen nicht den Gefallen, sich umzudrehen. »Oder seid ihr seit neustem die Schoßhündchen der Sídhe?«
Die Schritte blieben hinter ihr stehen. »Wir sind die BlackDogs«, sagte eine tiefe, knurrende Stimme. »Und wir
hassen
die Sídhe!«
»Das freut mich.« Justine ließ die Wolfshunde nicht aus den Augen. »Und warum stellt ihr euch mir in den Weg?«
»Du gehörst zur Blutsaugerin und dem Deutschen an ihrer Seite.« Die Schritte näherten sich ihr weiter. »Ich möchte ein paar Dinge klären«, sagte der Mann in ihrem Rücken.
»Ich glaube nicht, dass ich mir die Zeit nehme, um mir das anzuhören.« Justine machte zwei Schritte nach vorne. »Meine Knarren sind mit Silber geladen, mes copains. Verpisst euch oder helft mir. Aber haltet mich nicht länger auf!«
Die Wolfshunde knurrten leise und rückten zusammen, drei weitere schoben sich aus den Schatten der umherliegenden Trümmer und strichen heran.
»Oh, ich bin mir sicher, dass Sie die paar Minuten haben werden.«
»Es geht dabei weniger um mich als um meine Freunde.« Justine drehte sich um und entsicherte die Waffen. Durchgeladen waren sie bereits.
Vor ihr stand ein unauffälliger, aber doch großer Mann, der einen fliederfarbenen Anzug trug, was angesichts der Umgebung surreal wirkte. Die Augen lagen hinter einer ultramodernen Sonnenbrille verborgen, im Gesicht stand ein dichter Dreitagebart.
Als hätten sie ihm Wangen, Kinn und Hals schwarz angemalt.
»Zut, aus welchem Videospiel sind Sie denn ausgebrochen? Muss etwas gewesen sein, was ein geschmackloser Programmierer verbrochen hat.« Justine nickte über die Schulter zum Eingang. »Sollte meinen Freunden was passieren, weil ich Ihr Geschwätz ertragen musste, haben wir beide ein Rendezvous, Monsieur mal ficelé.«
Er lächelte. »Ihre Freunde sollten gut genug sein, um die paar Minuten zu überstehen.« Entspannt stand er vor ihr, die Hände in den Taschen. »Zuerst muss ich Ihnen meinen Respekt aussprechen. Sie haben das geschafft, was uns nicht gelungen ist. Die Sídhe sind schwer hervorzulocken, auch wenn man jedes Detail ihrer Verstecke kennt. Ich freue mich umso mehr, endlich den Tag einläuten zu können, auf den meine Leute und ich so lange gewartet haben.«
»Sie sind aber nicht der Ard Rí.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Bin ich nicht. Er hat derzeit kein Bedürfnis, in der Öffentlichkeit zu erscheinen, nicht zuletzt dank des Auftauchens von Ihnen und Ihren Freunden. Im Vertrauen: Die Attacke im Hotel hat ihm zu schaffen gemacht. Das ist ihm seit vielen Jahrhunderten nicht mehr passiert.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich bin Rob. Der Ard Rí schickt mich, um zu erfahren, wie es weitergehen wird, wenn wir die Sídhe
gemeinsam
besiegt haben.«
Gute Frage.
»Darüber haben wir uns keine Gedanken gemacht«, gestand Justine unruhig. Sie wollte Eric und Sia beistehen. »Was schlagen Sie vor?«
»Der Ard Rí weiß, was er Ihnen und Ihren Freunden verdankt, sowohl das Schlechte als auch das Gute«, begann Rob. »Nachdem er alles gegeneinander abgewogen hat, kam er zu dem Entschluss, dass er den Überlebenden aus dem Gefecht freien Abzug gewährt, anstatt sie zur Rechenschaft für ihre Verbrechen zu ziehen.«
»Jeder und jede Tote werden verziehen?«,
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