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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ihr alles egal, Karkow, die Patienten, alles. Sie wollte nur in Sicherheit, weg von dem Schießen und den Toten.
    Sie rutschte auf den Knien nach rechts, auf eine angelehnte Tür zu. Sich verstecken, ins Klo einschließen, nur weg, weg, weg!
    Schwere Stiefelschritte kamen auf sie zu, ein Funkgerät quakte etwas, dann fiel ein Schatten auf sie. »Hey!« Bevor Hildegard den Spalt erreicht hatte, wurde ihr ins Haar gegriffen und sie auf die Beine gezogen. »Hey! You are a nurse.«
    Am ganzen Körper bebend, schaute sie den Mann an, dessen Gesicht unter dem Nylon verzerrt sichtbar war; dennoch waren es grobe Züge, brutale Züge, wie sie die schlimmsten Verbrecher in Filmen hatten. Dieses Mal passte das Klischee.
    Sie musste den Blick senken, weil sie seinen Blick nicht ertrug. Ihr wurde schlecht, so dass sie sich beinahe übergeben hätte, und lähmende Kälte fuhr in ihre Glieder.
    Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern drückte sie gegen die Wand. »Do you understand?« Hildegard stammelte, dass sie kein Englisch verstand. »Fuck, fat old bitch. Do you know Theresia Sarkowitz?«
    Hildegard hyperventilierte und konnte nicht antworten. Sie versuchte ein Nicken, das aber nicht deutlich genug ausfiel, denn der Mann drückte sie gegen die Wand und schrie sie an: »Sarkowitz, you know! Sarkowitz, her sister!« Er zeigte auf die im Bett liegende Karkow. »Not Polizei!«
    Die Türen des zweiten Fahrstuhls öffneten sich, wie Hildegard an ihm vorbei sah. Zwei weitere Maskierte mit kugelsicheren Westen erschienen, die Sturmgewehre im Anschlag. Auch das konnten unmöglich die Guten sein.
    Sie und Hildegards Peiniger wechselten einige Worte auf Englisch. Die beiden Neuankömmlinge hängten sich die Waffen mit den Riemen auf den Rücken und schoben Bett samt Dialysegerät in die Kabine. Den Toten im anderen Lift beachteten sie nicht weiter.
    Hildegard wurde losgelassen, der Maskierte drückte ihr einen Briefumschlag in die Hand. »Theresia Sarkowitz! Sarkowitz, okay? Not Polizei, bitch! Or I will kill you! Sarkowitz, or töten dir, okay?« Er ging langsam rückwärts, das Gewehr locker in der Armbeuge, und sicherte den Rückzug.
    Hildegard rutschte an der Wand nach unten und übergab sich; das Kuvert fiel auf den Boden, dicht neben die Lache. Trotz der Schmerzen in Schulter und Hand fühlte sie eine unendliche Erleichterung, als sich die Fahrstuhltüren schlossen und die drei Männer mit ihrer Gefangenen verschwanden. In diesem Moment zählten nur sie und ihr Leben, das sie behalten hatte.
    Ihr fiel auf, wie schrecklich still es auf der Station war. Niemand wagte sich aus den Zimmern, das Personal außer ihr war ruhiggestellt. Hildegard hoffte inbrünstig, dass jemand die Polizei von einem der Zimmer aus angerufen hatte.
    Sie schluchzte unvermittelt auf und bekam einen Heulkrampf.
    Die Anspannung entlud sich in einer Flut unkontrollierbarer Tränen, die ihren Blick verschleierten. Jemand rief ihren Namen. Sie sah unscharfe weiße Säulen vor ihren Augen erscheinen und roch das Deo von Pfleger Jürgen, dessen Hosenbeine sie vor sich hatte.
    »Sie ist entführt worden«, brachte sie mit Mühe hervor und streckte die unverletzte, blutige Hand aus, um das Kuvert zu sich zu ziehen. Sarkowitz.
    »Ruhig. Wir kümmern uns um dich«, sagte Jürgen aus dem fleischigen Rosarund heraus, das sein Gesicht war, das sie aber nicht genau erkennen konnte.
    Hildegard wurde auf eine Trage gelegt. Um sich herum hörte sie Fachgespräche, die sich um Infusionen und Injektionen drehten, die für sie gedacht waren, aber in ihrem Verstand hämmerte es ausschließlich:
Sarkowitz! Sarkowitz!
    * * *

Kapitel VII
    B iep.
    Biep, biep.
    Biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack.
    Biep.
    Biep, biep …
    Das ist schon wieder ein Alptraum! Sie haben mich aus dem Krankenhaus entführt! Wer ist das? Was wollen sie von mir?
    Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
    Die Geräusche sind fast wie immer. Bewegung um mich herum, Brummen, Fahrgeräusche. Ein Krankenwagen. Warum stehlen sie mich? Wollen sie Sia damit erpressen?
    Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep. Biep …
    JA
! Ich kann meine Hand bewegen! Meine ganze Hand gehorcht wieder mir, und ich spüre ein Kribbeln in meinen Lippen. Was habe ich davon? Nichts! Ich bin in der Gewalt von Menschen, die ich nicht verstehe. Was für eine Sprache sprechen sie? Keine Ahnung …
    Biep, biep, biep. Klick-fchhhh-klack, klick-fchhhh-klack. Biep.

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